koeglerjournal

Horst Koegler by Richard Cragun

Ein Wort vorweg: Der alarmierende Rückgang der Tanzberichterstattung selbst in den ambitionierteren deutschen Tageszeitungen - mit Ausnahme der FAZ und der WELT - sowie die überproportionale Berücksichtigung der Off-Szene und ihrer Persönlichkeiten in "Europe´s Leading Dance Magazine" haben zu dem Versuch ermutigt, in der Form eines Tagebuchs im Internet rasch auf aktuelle Vorkommnisse der Tanzszene zu reagieren. Dabei kann es sich nur um eine Auswahl von Ereignissen handeln, die der Verfasser in eigener Verantwortung trifft. Kritische Kommentare sind nicht zu verwechseln mit Kritiken, für die es bei tanznetz.de eine eigene Rubrik gibt.

oe, Stuttgart, am 31.März 2001

 

Ich muss zugeben, dass ich skeptisch war, als sich Anfang des Jahres 2001 Horst Koegler bei mir meldete und erklärte, dass er gerne mitmachen würde bei tanznetz.de. Ein Online-Tagebuch schwebte ihm vor, in dem er regelmäßig schreiben wollte über Tanz auf den Bühnen und hinter den Kulissen, über Tanz auf DVD oder im Fernsehen, über Tanzliteratur und Tanzpolitik.

Ob er nicht zu alt wäre für dieses Medium? Naja, nach kurzer Zeit schon belehrte er mich eines besseren. Reiste und schrieb wie ein Besessener und ließ trotz starker Schmerzen und einsetzender Alterserscheinungen keine noch so beschwerliche Reise nach St. Petersburg oder Kopenhagen aus, um über wirkliche Balletthighlights berichten zu können. Suchte nach Vorstellungen in Russland unter widrigen Umständen Internetcafes auf, um noch in der gleichen Nacht die Kritik dort fertig zu schreiben und ans tanznetz.de zu übermitteln. Wehe, wenn der koeglerjournal-Beitrag morgens um 9.00 Uhr noch nicht fehlerfrei online war, dann gab es weitere Emails aus Internetcafes. Leidenschaftlich waren seine Journale immer, ob positiv oder negativ, er vertrat seinen Standpunkt laut und deutlich. Er erfreute und verärgerte Choreografen gleichermaßen. So kontinuierlich und kenntnisreich er über das Ballett berichtete, so neugierig war er auf alles Neue, das sogenannte Zeitgenössische. So sehr er über Meg Stuart schimpfte, so sehr konnte er sich für Thomas Lehmen oder Helena Waldmann begeistern.

Die Idee, dass man im Internet unter seinen Journalen Kommentare anhängen könnte, ja gar ihm an dieser Stelle widersprechen und diskutieren könnte, fand er großartig. Leider fand diese Art des Austausches erst in den letzten Monaten statt, entweder weil seine Leser zu alt für diese Technik waren oder die Ehrfurcht zu groß. Wer in den letzten Jahren Koegler lesen wollte, der musste ins Internet zu tanznetz.de gehen. Zahlreiche seiner Anhänger kamen erst nach Jahren auf diesen wunderbaren kostenlosen Service ihres Kritikers, den er seinen Lesern bot, ohne je für Reisekosten oder Aufwand entschädigt zu werden.

Schnell, spontan und unglaublich unkompliziert arbeitete er Tag für Tag für sein koeglerjournal. Man kann ihn mit Fug und Recht als einen frühen Erfinder der Tanz-Weblogs bezeichnen. Was seine Offenheit für das neue Medium Internet, seine Schnelligkeit im Publizieren der Blogs und seinen kontroversen Stil betraf, hatte tanznetz.de niemals einen „jüngeren“ Mitarbeiter als Horst Koegler, genannt oe, es war.

Sie finden hier alle Texte von Horst Koegler (oe) sortiert nach Datum von 2012 bis 2001 rückwärts. Die ältesten Einträge sind also am Ende diese Liste finden. Sie können natürlich jederzeit unsere SUCHE nutzen, um speziell in den Beiträgen von oe zu suchen.

Nina Hümpel (Ausschnitt aus dem Nachruf an Horst Koegler 2012)

Horst Koegler by Gert Weigelt