Die Nacht der Nächte

Das Stuttgarter Ballett bedankt sich zu seinem Fünfzigsten mit einer Super-Gala bei seinem Publikum

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Stuttgart, 12/02/2011

Und alle, alle (sofern sie nicht gestorben sind) waren gekommen zur Halbjahrhundertfeier der vielgeliebten Kompanie! Ja, beim Ballett ist die Welt noch in Ordnung (zumindest beim Stuttgarter Ballett, diesem Modellfall der Integration von einundzwanzig Nationen). Und so bedurfte es keiner Quotenregulierung bei der Gipfelkonferenz der globalen Ballettchefs im Kammertheater am Samstagmorgen: fünf Frauen und fünf Männer, die die Ballettprobleme rund um den Globus diskutierten. Da saßen sie in schönster Eintracht, die Regierungschefs der Kompanien aus China und Australien, aus Süd- und Nordamerika nebst Kanada, aus England, Flandern und aus Mailand, St. Petersburg, aus Hamburg und Stuttgart.

Und wer hat sie alle gezählt, die Delegierten im Zuschauerraum aus dem Vereinigten Königreich, aus Österreich und der Schweiz, aus den Benelux-Staaten, aus Bayern, Niedersachsen und Westfalen. Und nicht zu vergessen, die Ahnen aus Vorvätertagen: Ray und Ricky, Egon und Georgette, Lesley und Sonia nebst Julia und Christine – und natürlich Randy, so lebendig wie Frankie-Boy redivivus – geschart um Marcia und Birgit und Vladimir und Hans aus Amsterdam und Jirí aus Den Haag. Und dazu die Gast-Étoiles aus Santiago, Sidney, Peking und New York, aus London, Antwerpen, Wien und Berlin … Jemanden übersehen? Pardon! Wenn das Protokollamt der Bundesregierung auch nur halb so effektiv bestückt ist wie die Logistiker dieses fünfeinhalbstündigen tänzerischen Mammut-Marathons, gäbe es keinen Dissens über die Quote!

Und am Abend dann: diese Beschwörung der Vergangenheit, die doch so höchst lebendige Gegenwart ist – im Namen des Vaters John und des Sohnes Uwe – und ihrer Kolleginnen und Kollegen à la Sue Jin, Alicia und Katja, Laura, Anna und Elizabeth, Marijn und Alexander, Nikolay und Evan und Jason, Robert und Filip samt Superstar Friedemann sowie ihre choreografischen Zulieferer Mauro, Douglas, Christian und Marco. Und mag auch Johns Ballettsaal-Thron auf der Bühne an diesem Abend leergeblieben sein, sein Geist, von Egon und Eric nebst Francis aus dem Klavier beschworen, spukte vom Anfang der Ballett-Babyboomers über das Polonaisen-Defilée der Ballerinen und ihrer Kavaliere und die aus dem Schnürboden geregneten Luftballons und mischte sich mit den schwäbischen Champagner-Perlen des Pausen-Sekts zu einem Cocktail der jugendlichen Joie de vivre, der von der Bühne überschwappte und den Zuschauerraum in einen wahren Taumel der Sinnenlust stürzte.

Welch ein Abend! Und das in Stuttgart, der vermeintlichen Kapitale des Pietismus! Welch eine Lust in einer Stadt zu leben, die sich dazu bekennt: ich tanze, also bin ich!

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