Der Tod Jochen Ulrichs hat mich tief betroffen

Ein Nachruf von Darrel Toulon

Graz, 13/11/2012

Jochen Ulrichs Beziehung zu Graz reicht bis in die Achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, als während der Intendanz von Carl Nemeth im Herbst 1988 Mauricio Kagels „Tantz-Schul“ als Gastspiel des Balletts der Wiener Staatsoper in der Oper Graz zu sehen war. Nemeths Nachfolger Gerhard Brunner lud Ulrich im April 1991 ein, für Tänzer des Balletts der Grazer Oper Luciano Berios „Folk Songs“ zu choreografieren. Während der Intendanz von Karen Stone habe ich in meiner ersten Saison als Ballettdirektor in Graz Jochen Ulrich eingeladen, bei einer Sonderveranstaltung anlässlich des Welt-AIDS-Tages 2001 mit zwei Tänzern aus Innsbruck mitzuwirken. Es folgten eine Gala im Schauspielhaus mit anderen österreichischen Ballettdirektoren wie Peter Breuer, Renato Zanella und Giorgio Madia, und noch heute bin ich Jochen Ulrich dafür dankbar, dass er mir aus seiner Innsbrucker Truppe in kollegialer Weise Enrique Gasa Valga kurzfristig zur Verfügung gestellt hat, damit meine Premiere von „Dornröschen“ stattfinden konnte. Letztmals in Graz war er 2008 im Rahmen der AIDS-Gala im Schauspielhaus tätig.

Länger als Jochen Ulrichs Beziehung zu Graz reicht meine persönliche Verbindung zurück, hat er mir doch 1987 in Köln mein erstes Engagement als Tänzer gegeben. Sein Vertrauen in mich hat sich darin gezeigt, dass er mir sowohl im Tanz, aber auch in Schauspielproduktionen große Aufgaben zugedacht hat. In all den kommenden Jahren ist Jochen Ulrich mein künstlerischer Mentor gewesen, der mich zu meiner ersten Choreografie ermutigt hat: „La Mesa“ für die Compania Coreoarte in Venezuela, was ich später auch für das Tanz-Forum Köln erarbeiten durfte.

Aber auch in Katrín Hall und Richard Wherlock hat er das choreografische Potenzial erkannt, und beide haben auch in Graz gearbeitet: im April 2001 erarbeitete Richard Wherlock, gegenwärtig Ballettdirektor am Theater Basel, in der Oper Graz Arnold Schönbergs „Verklärte Nacht“, und während ihrer Zeit als Künstlerische Leiterin der Icelandic Dance Company choreografierte Katrín Hall „Heat“ auf der Probebühne des Grazer Schauspielhauses.

Jochen Ulrich stellte aber auch den Kontakt zu Roberto Ciulli am Theater an der Ruhr her, wo ich mich als Schauspieler und Choreograf weiterentwickeln konnte. Und als Schauspieler habe ich den Weg nach Graz gefunden – im Dezember 1997 im Schauspielhaus in „Liebe! Stärke! Mitgefühl!“. Seit ich mein Engagement als Ballettdirektor in Graz angetreten habe, vertiefte sich die kollegiale Freundschaft, die in einer Einladung, für seine Linzer Truppe zu choreografieren, gipfelte.

Wie sich die Tanzkompanie der Oper Graz derzeit präsentiert, ist Jochen Ulrichs stilbildendem Einfluss zu verdanken. Seine Art, über Tanz nachzudenken und Gefühle zu kommunizieren, hat mich und meine Arbeit nachhaltig geprägt. Durch ihn habe ich gelernt, der Individualität im Ensemble und der Kreativität des Einzelnen den notwendigen Raum für die persönliche Entwicklung zu geben, zu fordern und zu fördern. Für all das und für die vergangenen 25 Jahre bin ich ihm zutiefst dankbar.
Darrel Toulon Ballettdirektor der Oper Graz

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