Ich ist immer ein(e) Andere(r)

In „For Love“ legen Schauspielerin Sandra Hüller und Tänzer Graham Smith als Courtney Love und Kurt Cobain eigene und gemeinsame Grenzen und Sehnsüchte frei

Freiburg, 17/04/2009

Wie ein Schatten kauert der Tänzer Graham Smith im Bühnendunkel am Boden. Das Stück „For Love“ vom physical virus collective, kurz pvc beginnt aus der Stille mit einem furiosen Ausraster. Smith tanzt Kurt Cobain mit harten Schlägen gegen die Bühnenwand. Mal ist es der Kopf, mal der Torso oder Arme und Beine des Tänzers, die wuchtig gegen die Wand donnern. Erschöpft und außer Atem muss Smith immer wieder inne halten, um zum nächsten Schlag auszuholen. Dem Choreografen von „For Love“ gelingt mit dieser Selbstzerstörung ein gewaltsamer, zugleich irritierender Anfang, der das gesamte Stück kennzeichnet.

Courtney Love, Ehefrau und Gegenspielerin von Kurt Cobain wird von Sandra Hüller getanzt, gesungen und gesprochen. Zaghaft betritt Hüller die Bühne über eine Treppe, die zuerst ihre Füße in schwarzen Stöckelschuhen, dann den Wuschelkopf und schließlich ihre ganze Figur freigibt. Was erotisch verspielt beginnt, schlägt bald um in die verzweifelten Ausbrüche der Popdiva Love. Die Kraft, die Graham Smith in seinen Tanz gibt, steckt Schauspielerin Sandra Hüller in Stimme und Gesang. Beider Künste verbinden sich auf geniale Weise, um die Beziehung des Musikerpaares Love/Cobain von einem Extrem ins andere übergehen zu lassen. Während etwa Hüller mit Armen und Worten fuchtelnd an der Bühnenwand lehnt, wirft sich Smith parallel zur Wand mit ganzer Körperlänge über die Schauspielerin und droht „Love“ zu zerquetschen.

Nie wird der Kampf zwischen den beiden Stars langweilig, denn die Choreografie unter der Regie von Tom Schneider fügt genau an den entscheidenden Stellen im Stück feine Überraschungseffekte ein: So erwächst etwa aus einer erschöpft nach vorne gebeugten Courtney Love an der Bühnenwand eine simpel gezeichnete Comic-Figur, die für ein paar Minuten als Animation einen skurrilen Bewegungsverlauf zeigt. Sandra Hüller – inzwischen im Publikum angelangt – begleitet ihn onomatopoetisch. Ebenso effektvoll ist eine Wut-Sequenz von Hüller, die mit ihrem Kopf die Bühnenwand durchstößt. Das Gesicht der Schauspielerin erscheint riesengroß auf der Bühnenwand und gibt die Spuren erschöpfender Aneignungen von Identitäten einer Courtney Love preis. Später liegen Hüller und Smith umschlungen am Boden und mimen mit verschieden breitem Grinsen ein Herz und eine Seele.

„For Love“ ist ein wuchtiges Stück Arbeit an Tanz, Sprache und Gesang, das den schmalen Grat zwischen Liebe, Anerkennung, Selbstzweifel und Zerstörung offen legt.

Am 16. und 30. Mai ist „For Love“ nochmals in der Kammerbühne Feiburg zu sehen.

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