19. Internationaler Wettbewerb für Choreographen

Eine Erfolgsstory

Hannover, 28/03/2005

Waren es 1987 bei der ersten Veranstaltung nur eine Handvoll Anwärter, so gingen beim 19. Internationalen Wettbewerb für Choreographen 2005 in Hannover 160 Bewerbungen aus 43 Ländern ein, 17 wurden für die Ausscheidung angenommen. Zwei von ihnen stammen von Mitgliedern des Tanzensembles der Staatsoper Hannover, in der die Vorführungen der zwischen fünf und zwölf Minuten langen Stücke am Sonnabend und Sonntag (26./27. März) abliefen.

Die Choreograph*innen kamen aus Frankreich, Polen, Ungarn, Tschechien, Spanien, Italien, Japan, Großbritannien, Korea, Belgien, Portugal und Israel. Die kleine Besetzung herrschte vor: Ein bis zwei Tänzer*innen je Choreographie am Sonnabend, an dem ich zuschaute, zwei bis fünf am Sonntag, den ich leider nicht wahrnehmen konnte. Das Niveau schien mir insgesamt höher als im Vorjahr zu sein, wenn auch mit großen Unterschieden. Der Abstand zwischen „Anna-Luise“, „Irony of Fate“, „GO“ auf der einen Seite sowie „Ecru“ und „Frost“ auf der anderen war erheblich bei dieser verdienstvollen Plattform für junge Talente, die sich auf einer großen Bühne vor Publikum präsentieren können.

Ins bewundernswert durchgezogene Extrem verbeißt sich „GO“ von Massimo Molinari (Italien/Deutsche Oper Berlin). Die Tänzerin Sabrina Uis bleibt unverrückbar am Platz, beugt sich nach unten, richtet sich auf, taucht wieder runter, um nun mit herabhängendem Kopf ihren Körper durchzuarbeiten, die Teile zu verschieben von den Armen über die Beine, durch den Oberkörper zu den emporragenden Hüften, dazu schwingt der Schädel hin und her, rauf und runter, beginnt zu kreisen. Wie ein fremdes Wesen wirkt ihre abgewinkelte Erscheinung.

In „Anna-Luise“, getanzt von Anna Luise Recke, gliedert Caroline Picard (Frankreich, freiberuflich) den Ablauf mit wiederholten Motiven, etwa dem vegetativ anmutenden Rutschen auf den Boden, mit durchgebogenem Rücken und erhobenem Hinterteil, gefolgt von der Streckung auf dem Bauch. So überquert sie die Bühne, dann steht sie auf, setzt die weich fließenden Bewegungen fort zur sich immer mehr verdichtenden Musik: Das besitzt eine eigentümliche Spannung.

Die zeichnet auch „Irony of Fate“ von Rafael Bonachela (Großbritannien, Rambert Dance Company) aus, interpretiert mit Feuer von der faszinierenden Amy Hollingsworth im Zottelkleidchen. Bonachela schreitet die Pfade der Partita für Violine solo von Vytautas Barkauskas aus mit kreisförmig geführten, manchmal geschüttelten Armen, mit Bewegungen, die wie ein Schubbern am Gefieder eines Vogels anmuten. So recht wurde mir nicht klar, wohin er mit der Ironie des Schicksals will, außer sich an den Linien der musikalischen Vorlage entlang zu hangeln.

In „Ecru“ versucht Lidia Wos (Polen, Skanes Dansteater Malmö) die überraschende Groteske, landet aber bei einer ziemlich unverfrorenen EK-Kopie ohne eigenes Profil. Als Musik wählte sie Saint-Saens' Schwan mit Unterbrechungen. Unermüdlich wieselt in „FROST“ Felix Landerer (Staatsoper Hannover), der sich als sein eigener Interpret quantitativ gut bedacht hat, über die Bühne, quasi ohne Punkt und Komma (das Vorbild von Thoss scheint aufdringlich durch). Immer wieder beugt er sich wie eine Drohung über seine Partnerin Vanessa Curado, die erheblicher weniger zu gestalten hat als er.

Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die übrigen Werke: „Corpus incantatum“ (etwa: verzauberter Körper) von Isabelle Chaffaud (Frankreich) und Jerome Meyer (Schweiz) choreographiert und ganz in Weiß getanzt, scheint eine Art Tristan-und-Isolde-Story zu sein: Zwei, die nicht zueinander finden können. „La Dispute“, exzellent getanzt von der Choreographin Lucie Holánková (Polen, Staatsoper Prag) und Radek Vrátil, gleitet etwas ziellos mit bruchlos fließenden, fantasievollen Hebungen dahin, ist zu wenig angeraut für einen Streit. Teelichter umrahmen in „EXIT (…) over“ von Thomas Zamolo (Frankreich, Göteborg Opera Ballet) die Tanzfläche, ein Paar belauert sich , sie streicht sich über den Körper, als wolle sie sich ihrer Konturen versichern, er wirkt zappelig. Sie geht schließlich ab, er bleibt sitzen.

Die Jury mit Ted Bransen (Direktor Het Nationale Ballett, Amsterdam), Marguerite Donlon (Direktorin Ballett Staatstheater Saarbrücken), Ivan Liska (Direktor Bayrisches Staatsballett), Carla Maxwell (Künstler. Leiterin Limón Dance Company), Amanda Miller (Direktorin Ballett Pretty Ugly, tanz köln), Jean Renshaw (freie Choreographin), Stephan Thoss (Direktor Ballett der Staatsoper Hannover), Christiane Winter (Direktorin Tanztheater International Hannover), Ed Wubbe (Direktor Scapino Ballet Rotterdam und künstlerischer Leiter des Wettbewerbs) entschied sich für folgende Preisträger:

1. Preis: „del a“ von Tilmann O'Donnell (Deutschland), Shintaro O-ue (Japan), beide beim Cullberg Ballett engagiert

2. Preis: „Pave up Paradise“ von Benjamin Duke (Großbritannien, engagiert bei der Maresa von Stockert‘s Tilted Co.)

3. Preis: „Irony of Fate“ von Rafael Bonachela (Spanien, associate Choreographer der Rambert Dance Company)

Die Kritikerjury mit Evelyn Finger (Die Zeit), Dr.Alexandra Glanz (Hannoversche Allgemeine Zeitung), Henning Queren (Neu Presse Hannover), Marcelle Schots (de Theatermaker, Niederlande), Klaus Witzeling (freier Journalist) verlieh ihren Preis an Yuki Mori (Japan, engagiert bei der Staatsoper Hannover) für sein „Missing link“, das auch den Publikumspreis einheimste. Den erstmals ausgelobten Scapino Produktionspreis erhielt Liat Magnezy (Israel, Rotterdamer Tanzakademie) für ihr „And she was...“.

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