Erinnerung an Yvonne Georgi

oe
Stuttgart, 05/02/2002

Nein, nein: kein Gedenktag – der ist erst im nächsten Jahr fällig. Da steht nämlich die hundertste Wiederkehr des Geburtstags von Yvonne Georgi bevor. Yvonne Georgi – war da mal was? Wenn ich in der Februar-Ausgabe von „Europe‘s leading dance magazine“ den Kurzartikel „Viva Verdy! Balanchine im Kino“ lese, scheint da wirklich nichts gewesen zu sein. Da geht es um einen Film „Ballerina“, in dem Verdy, von 1960 bis 1973 die „Muse von Balanchine und Robbins“ die Hauptrolle spielte. Der Film, in Paris als einer der ersten Nachkriegs-Tanzfilme produziert, entstand freilich schon 1949/50, also in der Noch-Nicht-Musen-Ära von Verdy, die damals gerade sechzehn Jahre alt war (aber schon 1945 bei den Ballets des Champs-Elysées debütiert hatte).

Der Regisseur war Ludwig Berger, der im Berlin der Weimarer Republik zu jungem Ruhm gekommen war und schon seit 1922 Filme gedreht hatte, dann 1933 erst nach England und von dort nach Holland emigriert war, wo er die Nazi-Okkupation im Versteck überlebte. Dort scheint er Georgi begegnet zu sein, die als Tänzerin (und Partnerin von Harald Kreutzberg) und Ballettchefin in Hannover Karriere gemacht hatte und 1936 nach ihrer Heirat mit einem holländischen Journalisten nach Holland übergesiedelt war – nicht als Emigrantin, und die dort weiterhin als Choreografin und Leiterin ihrer eigenen Ballettkompanie gearbeitet hat, auch während des Krieges (was ihr später den Vorwurf der Kollaboration mit den Nazis eingebracht hat).

Ihre Rückkehr nach Deutschland erfolgte dann 1951 als Ballettmeisterin der „Abraxas“-Tourneekompanie. Sie war dann von 1951 bis 1954 Ballettchefin Düsseldorf und von 1954 bis zum Ende der Spielzeit 1972/73 Ballettdirektorin des Landestheaters Hannover und gleichzeitig Leiterin der Tanzabteilung an der dortigen Hochschule für Musik und Theater. An die zwanzig Jahre lang hat sie das Ballett in Hannover geprägt – sicher die glanzvollste Periode der lokalen Ballettgeschichte, deren Niveau keiner ihrer Nachfolger halten konnte. Ich denke mit großer Freude an ihre Premieren (und die anschließenden Partys in ihrem Haus in Herrenhausen) zurück – und wie sie in die dortige Ballettszene ihren so dezidiert französischen Geschmack einbrachte.

Jedenfalls hatte Ludwig Berger sie für seinen „Ballerina“-Film als Choreografin nach Paris geholt und aus ihrer Arbeit mit Violette Verdy wurde eine lebenslange Freundschaft, mit gegenseitigen Besuchen in Hannover und Paris und auch in Köln bei der Sommerakademie. Es bestand ein ausgesprochenes herzliches Einvernehmen zwischen ihnen, in das sie auch bei passender Gelegenheit einen damals noch ziemlich jungen Kritiker einbezogen, der dann bei seinen ersten Besuchen in den USA davon profitieren konnte, wo er nicht zuletzt dank Verdy Zugang zu Balanchine und zum New York City Ballet erhielt.

Georgi ist dann 1975 in Hannover gestorben – und heute offenbar vergessen, denn der bewusste Artikel erwähnt sie (und auch Ludwig Berger) mit keinem Wort. Für mich aber hat Verdy, lange bevor sie die Muse von Balanchine und Robbins wurde, ganz offensichtlich als Muse auch bereits Georgi inspiriert. Aber vielleicht macht sich ja Stephan Thoss schon heute Gedanken, wie denn Hannover am 29. Oktober 2003 den hundertsten Geburtstag jener Frau begehen könnte, deren Name wie der keiner anderen Persönlichkeit vor und nach ihr zu einem Synonym für den Tanz in Hannover geworden ist.

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