Stabel will Schulleiter an der Staatlichen Ballettschule Berlin bleiben

Der Gütetermin um freigestellten Ballettschuldirektor scheitert. Der Zwischenbericht der Untersuchungskommission sorgte vorab für kontroverse mediale Resonanz.

Konkrete Beweise liefert der Bericht der Expert*innenkommission nicht, allerdings auch keine zur Widerlegung der Vorwürfe. Die Debatte scheint sich im Kreis zu drehen und wirft doch zentrale Fragen auf.

Berlin, 12/05/2020

Seit Anfang Mai, als der Zwischenbericht der Untersuchungskommission zu den Vorwürfen an der Staatlichen Ballettschule Berlin veröffentlicht wurde, hat sich die Mediendiskussion, die sich seit Januar eher kritisch gegen das Leitungsteam der Staatlichen Ballettschule stellte, noch einmal in eine kontroverse Diskussion gewendet. Ausführliche Berichte über die Ereignisse der letzten Monate, Einordnungen in Berlins aktuelle bildungs- und kulturpolitische Lage haben nicht nur Tanzkritiker*innen wie Boris Gruhl und Elisabeth Nehring vorgenommen, auch die Feuilletons von Der Tagesspiegel und FAZ berichten. Dabei wechseln sich Kritik und Lob für das Vorgehen der Kommission ab. Unterstützer*innen und Gegner*innen der Schule in ihrer derzeitigen Gestaltung scheinen gleichmäßig verteilt zu sein, handfeste Argumente haben beide Seiten nicht.

Und genau dies ist, was nun auch das Arbeitsgericht Berlin im Rechtsstreit mit dem seit Februar freigestellten Schulleiter Dr. Ralf Stabel moniert, wie die Berliner Zeitung am 12. Mai berichtet. Stabel, der wie sein Kollege Gregor Seyffert seit Monaten von der Leitung der Schule freigestellt ist und diese nicht mehr betreten darf, hat gegen seine Freistellung geklagt. Der aktuelle Gütetermin verlief erfolglos. Doch das wird die Situation derzeit weder ent- noch verschärfen.

Zentraler erscheint Richter Thomas Kühns Forderung nach konkreten Beispielen für die von Seiten von Schüler*innen, Lehrer*innen und der Expert*innenkommission formulierten Vorwürfe. Denn diese konnten bis heute weder stichhaltig bewiesen noch widerlegt werden. Und so bewegen sich auch die Presseberichte auf eher spekulativem Boden und spiegeln in erster Linie die Ansichten ihres jeweiligen Verfassers bzw. ihrer jeweiligen Verfasserin wider.

Das mag die Situation in Berlin nicht klären, wirft aber Schlaglichter auf das Verständnis, was eine Ballettausbildung auf internationalem Spitzenniveau zu leisten habe und was nicht. Denn dass die Staatliche Ballettschule Berlin zu den Top-Ausbildungsstätten für klassische Tänzer*innen zählt und auch weiterhin zählen möchte, scheint - abgesehen von einigen Unterstellungen in Richtung der Berliner Senatsverwaltung dies ändern zu wollen - Konsens zu sein. Wenn Elisabeth Nehring im Interview mit Siegrid Brinkmann in Deutschlandfunk Kultur am 4. Mai zum Kommissionsbericht sagt „Probleme werden sehr allgemein beschrieben“, so verweist sie damit nicht nur auf die Schwachstellen des Berichts, sondern fasst die gesamte Debatte zusammen. Während Manuel Brug am 6. Mai in Die Welt betont, dass eine Ballettausbildung auf höchstem Niveau nicht ohne Härte und Drill zu gewährleisten sei und die Vorwürfe in erster Linie auf Aussagen von ehemaligen Schüler*innen beruhen, die den hohen Anforderungen nicht gerecht wurden, betont Wiebke Hüster am selben Tag in der FAZ, eine professionelle Ballettausbildung sei auch ohne psychischen und physischen Druck möglich.

Hier scheint es nicht mehr nur um die Berlin-Frage zu gehen, sondern darum, wie im Angesicht der Me-Too-Debatte (die sich ausgeweitet hat zu einer grundlegenden Diskussion um den Umgang mit Machtstrukturen und demokratischer Mitbestimmung nicht zuletzt in künstlerischen Ausbildungen) und den bestätigten Vorwürfen an der Ballettschule der Wiener Staatsoper, eine zeitgemäße klassische Ballettausbildung aussehen soll. Was erwarten wir von klassisch ausgebildeten Balletttänzer*innen? Wie weit sind wir bereit zu gehen, um ein bestimmtes Leistungsniveau zu erreichen? Wie wollen wir das Verhältnis von Kindeswohl, Allgemeinbildung, demokratischer-politischer Bildung und künstlerischer Ausbildung auf internationalem Spitzenniveau gestalten? Das alles sind Fragen, die der Klärung der Situation in Berlin nicht direkt helfen, denn dazu benötigt es intensive, unparteiische und ja, da ist Thomas Kühn zuzustimmen, konkreter Recherchen vor Ort, aber es sind Fragen, die für die Zukunft aller Ballettausbildungsinstitutionen von Bedeutung sind. Die Vorfälle in Wien und die im Raum stehenden Vorwürfe in Berlin könnten ein Anlass sein, unser Ausbildungsverständnis und letztendlich unser Kunstverständnis, denn darum geht es im Kern, zu hinterfragen und eventuell neu auszurichten.

Was das für die Leitungsposition von Ralf Stabel und Gregor Seyffert, dessen Termin vor dem Arbeitsgericht am 18. Januar sein wird, bedeutet, liegt eigentlich auf der Hand und in der Frage, ob die beiden zu einer ergebnisoffenen Diskussion bereit sein werden. Das sah bis aktuell weniger so aus, sowohl was das Gespräch auf Augenhöhe mit der Schülerschaft als auch mit dem unterrichtenden Mittelbau aussieht.
 

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