Abschied von Patrick Dupond
Der ehemalige Solotänzer und langjährige Ballettdirektor der Pariser Oper ist verstorben
ARTE Concert zeigt den zeitgenössischen Tanzabend aus der Pariser Oper
Nur aus den größten, international hoch gehandelten, sozusagen allerheiligsten Hallen des Balletts werden Aufführungen regelmäßig live ins Kino übertragen – und sind anschließend in der Videothek von ARTE zugänglich. In der Regel steht bei der Pariser Oper das beliebte klassische Repertoire auf dem Programm, Zeitgenössisches eher selten. Wenn einem aktuellen Tanzabend mit vier verschiedenen Uraufführungen diese spezielle Ehre zuteil wird, ist die Erwartungshaltung hoch. Aber die neue Ballettdirektorin Aurélie Dupont weiß sehr wohl, dass auch einer so traditionswuchtigen Institution wie der Pariser Oper etwas mehr Zeitgenossenschaft dringend nottut. Die Ex-Tänzerin choreografiert nicht selbst – so hatte sie die Qual der Einladungswahl. Mit Hofesh Shechter und Crystal Pite hat sie sozusagen zwei internationale Superstars auf der Liste; dass auch István Pérez darauf steht, ist ein besonderer Ritterschlag für den designierten Heidelberger Tanzdirektor.
Dem Vierten im Bunde, James Thiérrée, Enkel von Charlie Chaplin, fällt als ausgewiesenem Unterhaltungskünstler die Aufgabe zu, eingangs Foyer und Treppenhaus des Prachtbaus zu bespielen. Für „Frôlons“ beschäftigt er rund die Hälfte der 120 TänzerInnen und die gesamte Kostümnäherei. So viel Gold und Glitzer, so viel angekündigte Geheimnisse machen neugierig und passen so gar nicht zum Rest des Abends. Denn bei Superstar Hofesh Shechter, der mit neun Tänzerinnen eine neue Version seines Stücks „The Art of Not Looking Back“ erarbeitet, ist gleich Schluss mit jeder Art von lustig. Er erzählt davon, dass ihn seine Mutter im Alter von zwei Jahren verlassen hat – und welche Hypothek an mangelndem Vertrauen gegenüber Frauen so jemand mit sich herumschleppen kann. Freilich verlangt solch ein Stück, das mit viel Erdenschwere und israelischem Volkstanzvokabular aufgeladen ist, eher Powerfrauen als die zarten, auf Eleganz getrimmten Pariser Tänzerinnen.
István Pérez hat somit – den Regeln der Programmgestaltung folgend – ein Stück für Männer zu machen. „The Male Dancer“ ist eine ziemlich kunterbunte Reflexion über das Tanzen im Jahr 2018 mit, wen wundert’s, zu viel oder zu wenig Ergebnissen – wie man’s nimmt. Vielleicht ist es nicht die allerbeste Idee gewesen, den blutjungen Fashiondesigner Alejandro Palomo für die Kostüme verantwortlich zu machen. Der flirtet in seinen Modekollektionen gern mit dem weiblichen Kleiderschrank und hat eine große Vorliebe für bombastischen Trash. So sehen die zehn Tänzer in Pérez‘ Stück aus, als hätte Palomo den Damen-Kostümfundus für ein ironisches Schaulaufen geplündert. Eingehüllt in einen spirituellen Klangraum von Arvo Pärth, scheint den Tänzern im Bewegungsvokabular zwar ihre Männlichkeit abhandengekommen zu sein, aber eine Alternative gerät nicht in Sicht.
Die Kanadierin Crystal Pite schließlich ist die Einzige, die sich auf das besondere Pariser Ensemble einlässt. Für „The Season’s Canon“ stellt sie sich selbst in den Kanon der vielen tänzerischen Interpretationen von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Freilich wählt sie die Re-Komposition von Max Richter. Und klug, wie die ehemalige Haus-Choreografin am Frankfurter Mousonturm nun einmal ist, legt sie das Motiv des Kanons auch dem Tanz zugrunde und lässt über 50 Männlein und Weiblein Stars, aufgehende Sterne und Corps de Ballet höchst attraktiv zu einem tanzenden Ganzen verschmelzen. So lässig kann man festgefahrene Hierarchien aushebeln.
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