Ein Neuer für Hannover
Nachfolger für Marco Goecke steht fest
Vermummt mit dunklen Kapuzenjacken marschieren sie forsch aber offenbar ziellos kreuz und quer – dicht bei dicht – nicht rechts, links, vor oder zurück blickend. Acht Gestalten. Namen- und gesichtslos, im Stakkato des Gleichschritts zur „Masse Mann“ vereint. Schlaff herabhängende Seile umrahmen in dichten Doppelreihen wie durchlässige Käfigstäbe drei Seiten der Spielfläche. Im Licht blitzen sie golden auf, veredeln – wie auch die Hornklänge von Esa-Pekka Salonens Concert étude (vom Band) – das nüchterne Szenario. Irgendwann organisiert „mann“ sich. Sie bilden eine lange Reihe. Einer schert aus, legt sich erschöpft auf den Boden. Dann wirft ein anderer seine Jacke weg, tanzt ein Solo mit hohen Sprüngen, indem er den Körper diagonal in den Raum streckt. Einer rollt sich, ein anderer legt sich mehrere Seile um die Schultern wie eine schützende Bekleidung und dann um den Hals wie einen Henkerstrick. Immer lebhafter und variationsreicher werden die Bewegungen, schließlich auch die Interaktionen der Männer. Kleine Duette, Hahnenkämpfe oder ein Ringen sind auszumachen und auch: wie unterschiedlich diese Männer eigentlich ist.
Nur als Silhouetten sind mitunter die unterschiedlichen Gestalten zu sehen. Wohl an die zwanzig Lebensjahre liegen zwischen dem Jüngsten und Ältesten. Ein langhaariger Blondschopf stammt sicher aus Skandinavien, der drahtige Glatzkopf erinnert an einen fernöstlichen Mönch. Gedrungen ist die Statur eines Weiteren, ein Hüne der Nebenmann. Individuen und Identitäten schälen sich heraus. Kaum merklich unterscheidet sich die Bekleidung jedes einzelnen (von Fashiondesigner Teemu Muurimäki). Fast wie durch ein Labyrinth tastet sich einer durch die Seilreihen. Auf dem Höhepunkt der Kakophonie von Salonens Orchesterstück „Foreign Bodies“ schwingen Seile durch die Luft, flechten die Männer sie zu Knoten und Zöpfen. Starke Männerarme schleudern, so scheint‛s, ein Chaosgemälde aus Hanf in den Raum.
Lyrisch erklingt schließlich Salonens Violinkonzert. Ganz licht wird der Raum, leicht Bewegungen und Mimik. Eine gewisse Solidarität von Mann zu Mann ist plötzlich zu spüren. Ätherisch, glückselig – fast kitschig tanzt ein jeder seine Empfindung von der eigenen Findung, von Mann- oder Menschwerdung. Als „Handschlag zwischen den Generationen“ möchte Tero Saarinen seine grandiose Choreografie „Morphed“ für acht Solisten unterschiedlichen Alters, verschiedener privater und technischer Herkunft verstanden wissen. Finnlands bekanntester Choreograf hinterließ mit seinem neuesten Stück beim tanzmainz Festival und den Ostertanztagen Hannover einmal mehr tiefen Eindruck.
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