Spielzeiteröffnung auf Kampnagel

Ohrenbetäubend kreischen die Fans, sobald er den roten Teppich betritt. Alle Blicke ruhen auf und viele Hände greifen nach ihm. Er selbst schaut furchtbar erschrocken, damit hatte er nicht gerechnet. Denn er ist kein Promi, sondern ein wenig bekanntes Gesicht aus der Hamburger Kulturbehörde. Und die „Fans“ sind fürs Kreischen bezahlte Studenten - der rote Teppich liegt nicht in Venedig, sondern auf Kampnagel. Dort ist der „Walk of Fame“ für jeden einer der Überraschungsgags zur Spielzeiteröffnung unter der neuen Intendantin Amelie Deuflhard.

Höchstpersönlich begrüßt sie viele Gäste mit einem freundlichen „Willkommen“. Innerhalb kurzer Zeit bevölkern hunderte von Neugierigen das Gelände der Kulturfabrik, streunen drinnen wie draußen umher. Eine verschworene Gemeinschaft trifft sich zum Happening und staunt über die vielen bunten Spielsachen.

Da sind lila Haarteile zu haben oder mit Bastelmaterial Wohnungen zu gestalten, die ab 2012 Kampnagel bereichern könnten. Kulturwürstchen sind Kunst und hängen als haushohe Appetitanreger neben den anderen echten „Kulturwürstchen“ vom Grill. Irgendwann landet jeder beim Orchester-Karaoke, wo die Kandidaten unbezahlt kreischen dürfen und manchmal, zwischen „New York, New York“ und „Ruby Tuesday“, sogar den richtigen Ton treffen.

Vorstellungen, das Typische am Theater, gibt's weiterhin in den Hallen: Miguel Gutierrez und seine Powerful People sorgen mit ihrer Art Tanz aus New York jedoch für nur 15 Minuten aufregende Performance, der Rest von anderthalb Stunden bildet belanglose Selbstdarstellung. Wer diese Aufführung nicht verlässt, schläft halt dort - die aufblasbare Schlafstation war ohnehin kurzfristig abgeblasen worden.

Weniger puristisch, dafür farbiger und schriller, huldigt Amelie Deuflhard offensichtlich dem alten Mythos Kampnagel. Abzuwarten bleibt, ob das Publikum auch demnächst vor Begeisterung laut kreischt.