Einseitig erotomane Facetten des Frauseins

„No Wonder“ geschieht bei Constanza Macras im Hebbel-Theater

Berlin, 27/04/2006

Zwei Frauen lümmeln im Liegestuhl auf dem Proszenium des Hebbel-Theaters. Als ihr Dudelradio stoppt, erzählen sie von sich, ihrem Weg nach Europa. Man muss die Mutter schlagen, solange man jung ist, lautet einer der tiefschürfenden Sätze. Da bröckelt die Hoffnung, dass „No Wonder“ von Constanza Macras auf eine konkrete Absicht zusteuert. Über die armen Armen wird pseudophilosophiert, über Freuds Psychoanalyse, Größen von Lichtenberg bis Kafka. Hinter dem flockigen Geschwafel von feuchten Mösen, geküssten Schwänzen, nymphomaner Sexgier klingen Gefühle wie Todesangst und Verzweiflung an. „Sieh den Garten“ ist das Stichwort, den Eisernen Vorhang zu lüften.

Dahinter verbirgt sich ein bühnenhohes Metallgestell, dessen von tropischen Pflanzen umwundene Etagen einen vogeldurchzwitscherten Paradiesgarten im Hochformat bilden. Zwei Leinwände darin zeigen nochmals üppige Gewächse. Marion Hofstetters Bühnenkreation bleibt der wahre Höhepunkt der eineinhalbstündigen Dschungelfantasie. Eine der beiden Frauen scheint mit dem Unterleib die Radiosender zu wählen, während ein Mann aus dem Affenhang vom Gerüst fällt. Rasch flüchtet sich zu diesem Adam eine Eva, eine weitere verlässt ihre Hängelage. Ein Strip befreit alle von ihren Hüllen, um in Ur-Unschuld neu zu beginnen.

Immer wieder geht es dabei verbal und im Spiel um das Frausein mit seinen Abenteuern, Gefährdungen, Abgründen und die Abhängigkeit vom Mann. Anstatt einer sich fortentwickelnden Bilderfolge mit Hintersinn häufen die Choreografinnen Macras und Lisi Estaras lyrisch verbrämte Schnipsel und modische Versatzstücke. Da tummeln sie sich als Schmetterlinge, mit Bikini, Bananengürtel, Rotkreuzuniform, turnt er am Lianengestell als Tarzan mit Bastrock, koitiert als säbelschwingender Zorro. Eine Frau gesteht Angst, kommt damit aber nicht recht zum Zuge. Eine andere inkarniert als Evita, Jesus gebärende Maria, Leni Riefenstahl, Anne Frank. Ein Mann vom Band faselt, nur in der Hingabe sei die Frau glücklich; ihr Pendant auf der Szene stranguliert, geißelt, fesselt sich mit einem Mikrokabel.

Auch der Mann verkleidet sich zur Frau, hat ein akrobatisch geschmeidiges, anrührendes Solo, das Trennendes zwischen den Geschlechtern aufweicht. Es wird geküsst, gestürzt, live gegeigt, passend zur Fußball-WM mit Maradona-Perücke gekickt, die Frau als Sexsymbol glossiert. Am Ende von Slapstick und Gewurste erzeugen Wasserbomben ein Feuchtbiotop, in dem zwei Frauen tobend übereinander herfallen. Bevor die vier Akteure einzeln die Szene verlassen, liegt ihr Elysium verwüstet. Er hat seinen Kunstbusen verloren, sie masturbiert hündisch wild auf einem Stein. Das Theaterpersonal reinigt unterdessen. Ein Wunder ist tatsächlich nicht geschehen. Kein Wunder bei so viel schriller Erotomanie.

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