Ich weiß nicht, was soll es bedeuten....

Zum Abschied vom Tanztheater Freiburg-Heidelberg

oe
Freiburg, 14/07/2006

Ach nein, traurig bin ich eigentlich nicht, eher ziemlich ratlos. Gleichwohl tue ich mich schwer mit dem Titel „Zocker“. Auf dem Flyer – es gibt kein Programmheft – ist viel vom Spiel die Rede. Gemeint ist wohl das Spiel mit gezinkten Karten – wo die Spieler versuchen, einander übers Ohr zu hauen. So beginnt auch die Vorstellung im Kleinen Haus des Freiburger Theaters. Es ist der vorletzte Abend des Tanztheaters Freiburg-Heidelberg. Etwa sechzig Besucher schätze ich in der Vorstellung – weitaus die meisten dürften Zwanzigjährige sein. Ihre Reaktion gleich Null, keinerlei Lacher, kein Zwischenapplaus – umso langanhaltender der Schlussapplaus für die vier plus drei Tänzerinnen und Tänzer, zu denen sich auch die beiden Schweizer Choreografen Béatrice Jaccard und Peter Schelling gesellen. Mir erscheint all das ziemlich rätselhaft – obgleich die Praxis des Einander-Übers-Ohr-Hauen auch meiner Generation keineswegs unbekannt ist. Man könnte auch von einer Variante der jüdischen Chuzpe sprechen.

Die Bühne ist ein geschlossener Kastenraum, ein bisschen über den Boden geliftet, unter dem sich die Darsteller (Tänzer) kriechend, krauchend, robbend auf die Szene vorarbeiten. Auch dort dann die meisten Motionen in der Horizontale, amphibienhafte Bewegungen, viel Schütteln, konvulsivische Zuckungen, partnerschaftlich aufeinander bezogen, mal synchron, dann wieder spiegelbildlich. Es beginnt mit einem Kartenspiel zweier Männer auf einem Brett, das sie sich zwischen ihrer Brust halten, und bei dem einer den anderen zu übervorteilen trachtet. Später dann eine ähnliche, für mich die lustigste Szene des doch sehr repetitiven Programms, wenn die beiden Männer abermals ein Tablett zwischen ihren Brüsten balancieren, mit einem Mini-Tor in der Mitte, durch das sie sich von Mund zu Mund einen kleinen Ball (so groß wie ein Trüffel) zuschießen. Ein Mund-zu-Mund-Elfzentimeter-Schießen gewissermaßen. Sehr ästhetisch finde ich das nicht, aber lustig ist‘s trotzdem, wenn es dem einen gelingt, den Ball – der oft von der Platte springt –, ins Goal, sprich: den Mund des anderen zu schießen.

Na ja, das war‘s dann – zum Finale des Tanztheaters Freiburg-Heidelberg. Zwei Spielzeiten währte seine mit so vielen Hoffnungen gestartete Existenz. Für Irina Pauls als Leiterin und Chefchoreografin ein ziemlich strapaziöser Job – und natürlich auch für die Tänzer, die für die Heidelberger Vorstellungen um 14.30 Uhr in Freiburg starten und, wenn alles gut geht, um 0.30 Uhr wieder in Freiburg zurück sind. Künstlerisch scheint die Liaison wenig gebracht zu haben, denn ihre Aktivitäten sind außerhalb der beiden Städte kaum zur Kenntnis genommen worden. Und das ist denn doch entschieden weniger als Freiburg und Heidelberg vorher unter Persönlichkeiten wie Krisztina Horvath und Pavel Mikulastik (um nur zwei Freiburger zu nennen) oder Dragutin Boldin und Johann Kresnik (als Heidelberger) bewirkt haben.

Und so muss die Initiative des Aus Zwei mach (k)eins für Freiburg und Heidelberg als gescheitert angesehen werden. Schade, denn sowohl Freiburg wie auch Heidelberg haben in der Vergangenheit der deutschen Tanzszene wesentliche Impulse zufließen lassen. Erinnert sich aber heute noch jemand an Persönlichkeiten wie Kurt Paudler oder Ilselore Wöbke (und den von Grieshaber ausgestatteten „Feuervogel“)? Ob es Joachim Schlömer als künstlerischem Leiter und Kurator gelingt, die Entwicklung umzudrehen, wenn er zur nächsten Spielzeit den neuen Job antritt? Ich habe da meine Zweifel – schon des Namens der neuen Kompanie wegen: PVC heißt die neue Truppe dann – für Physical Virus Company. Ich halte das für genauso publikumsabschreckend wie auch jene belgische Kompanie Les Ballets C. de la B., die ja ihr Publikum auch nicht gerade dazu einlädt, sich mit ihr zu identifizieren.

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