Nervöses Flattern
Mit „Dips“ feiert Dortmund 10 Jahre Juniorballett NRW
Gegensätzlicher hätte man die beiden aufstrebenden Stars der internationale Choreografen-Szene für das Gastspielprogramm der Junior Company von Nederlands Dans Theater (NDT 2) nicht auswählen können: Hier Nadav Zelner, der israelische Tausendsassa, gerühmt elegante Leichtigkeit, schnellen Witz und tänzerische Ideenvielfalt, dort der detailversessene Spanier Marcos Morau, der gerne aus jeder Choreografie ein monumentales Gesamtkunstwerk macht. In der Gunst des Heidelberger Publikums siegte ernst vor lustig: Moraus „Folkå“ erntete jede Menge Jubelschreie.
Aus dem Geist des Lockdowns zum Gesamtkunstwerk: „Folkå“
Es ist, wenn man so will, eine Nach-Corona-Choreografie, erarbeitet zusammen mit dreizehn Tanzenden vor dem Hintergrund der Lockdown-Erfahrungen. So entstand ein magisches Fest für die Tänzerinnen und Tänzer, die sich der Grundlagen einer starken, lebendigen Gemeinschaft versichern. Sie forschen ihrer gemeinsamen Geschichte nach, mythischen Erfahrungen, starken Bräuchen und dem Umgang mit Konflikten. Das alles taucht Morau in eine minimalistische Schwarz-Weiß-Grau-Ästhetik, in der die fantasievollen blitzschnell wechselnden Formationen wie lebende Skulpturen wirken.
Für den studierten Fotografen ohne eigene Tanzerfahrung haben alle Elemente der Aufführung das gleiche Gewicht: Lichtkünstler Tom Visser ist konsequent zuständig fürs Transzendentale. Juan Cristobal Savedra, der Hauskomponist von Moraus Company „La Veronal“, webt Kuhglocken, Tierstimmen, bulgarische Volkslieder und liturgische Gesänge ins Sounddesign. Kostümbildnerin Silvia Delagneau bringt Mönchskutten, Hexenkittel, Derwischröcke und rustikale Hosenträger zusammen auf den Punkt. Die fantastischen Dreizehn wechseln vom komplexen Unisono in winzige Geschichten: Jemand wird kurzzeitig zum Anführer, jemand fällt aus der Gruppe, wird weggestoßen, aufgefangen, getröstet, getragen, auf die eigenen Füße gestellt; jemand erhebt sich, wird auserwählt, zurechtgestutzt, allein gelassen, wieder eingegliedert. „Folkå“ (2021) ist Moraus erste Arbeit fürs NDT 2 und auf dem besten Weg, ein Signaturstück zu werden.
Eine Feier des Lebens: „An Untold Story“
Gegen dieses inhaltliche Schwergewicht hatte Nadav Zelner mit „An Untold Story“ einen schweren Stand. Eine der zentralen inhaltlichen Assoziationen, die vergebliche Bekämpfung hartnäckiger Störenfriede in Insektengestalt (zu schräger Schrammelmusik), gab nicht ganz so viel her wie vielleicht erhofft. Eine Feier des Lebens sind die Choreografien von Zelner allemal, und auch in dieser Arbeit konnte einem beim Dechiffrieren seines Bewegungsmaterials ein bisschen schwindlig werden, so schnell wechselte er vom klassischen Tanz in Akrobatik und alles nur Denkbare dazwischen: eine dankbare Plattform für die ausgesuchten Tänzer und TänzerInnen von NDT 2.
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