„Das Rauschen der Stadt“ von Gregor Zöllig, Tanz: Ensemble

Hometown Glory

„Das Rauschen der Stadt“ von Gregor Zöllig am Staatstheater Braunschweig

Es ist wörtlich zu verstehen: 15 Kapitel rauschen am Zuschauer vorbei und skizzieren ein Stadt-Portrait, das nicht in jedem Moment mögliche Identitäten Braunschweigs betonen will. Das ist gut so.

Braunschweig , 18/12/2025

„Round my hometown / memories are fresh“ – Ganz allein steht María Gabriela Luque auf der großen leeren Bühne des Staatstheaters Braunschweig und singt Adeles „Hometown Glory“ a capella. Im Hintergrund pflanzen Tänzer*innen gemeinsam einen herbeigeschafften Baum in den offenen Konzertflügel. Einer von ihnen setzt sich daran, aber als er zu spielen ansetzt, ist mit einem Mal alles vorbei. Die Geschichte, die ab diesem Moment beginnt, wird erst noch geschrieben, in der Zukunft. 

Gregor Zölligs getanztes Portrait der Stadt Braunschweig zeigt bis zu diesem Ende viele Farben, nicht nur in den individuell gestalteten Kostümen. Errungenschaften, Geschichte, Eigenheiten. Was das Leben in einer Stadt eben so ausmacht. In erster Linie sind das natürlich die Menschen, die in ihr leben. Dafür hat das Produktionsteam viele Einwohner*innen der Stadt befragt. Auszüge aus diesen gesammelten Stimmen finden sich im Programmheft und werden von den Tänzer*innen auf der Bühne widergegeben. „Herzlich verschlossen“ sei die Mentalität der Braunschweiger, heißt es da. Die Stadt gilt demzufolge aber auch als hidden champion. 

Das Staatsorchester Braunschweig gestaltet dazu 15 musikalische Kapitel, von Beethoven und Bach über Schostakowitsch bis Steve Reich und John Adams. Gregor Zöllig nutzt deren Rhythmen in erster Linie für große Ensembleszenen. Immer wieder vergrößert er die Anekdoten noch mit einem Bewegungschor aus Laien. Das bringt vor allem beständige Bewegung, in der die leiseren Momente, die kleinen Duette, eine Randerscheinung bleiben. 

Geschichte und Gegenwart vermischen sich

Bei allem geht es nicht vordergründig um die Frage danach, was Braunschweig von anderen Städten unterscheidet. Stattdessen: Wie ist Braunschweig? Und wie war es mal? Da werden mit Anspielung an das Jahr 1933 aus bedrohlich krächzenden Raben geradlinige Reihen Uniformierter, in schwarzen Hemden, streng, auffällig zugeknöpft. Da grölen die Fans von Eintracht Braunschweig ausgelassen, selbstredend entsprechende Schals schwingend. Unzählige andere Städte finden sich in solchen Szenen wieder. Deshalb lässt sich auch als Nicht-Braunschweiger mühelos daran andocken. Kennt man so oder so ähnlich. 

Die Einfachheit in der Arbeit liegt auch in der Wahl der Mittel. Simple weiße, gefüllte Säcke dienen als Bausteine für die Mauer, die Braunschweig in die „Randzone“ verschoben hatte. Die Veränderungen nach dem Fall der Mauer haben die Stadt an der Ocker zurückgebracht in die Mitte des Landes. Drumherum skizziert Zöllig eindrucksvoll Biografien, die mit dem Bau der Mauer Brüche erleiden. Sichtbar wird, dass später nicht alles wieder gekittet werden kann.  

Dem Verlauf der Zeit lässt sich auch deshalb mühelos folgen, weil die Choreografie einzelne Bewegungselemente wiederholt aufgreift. Das schafft Identifikationspunkte und macht das Ensemble zu „tatsächlichen“ Stadtbewohner*innen, immer wieder in ihrem Tun per Video ergänzt durch Nahaufnahmen eines steinernen Löwen, dem Wappentier Braunschweigs. Im Programmheft meint eine befragte Person: „zu viele Löwen“. So unterschiedlich sind eben die Menschen, auch in Braunschweig.

 

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