Shanghai goes Riom

Innerlich sicher noch etwas zerknautscht von langer Reise, Jet-Lag und einem Temperaturunterschied von 25 Grad, aber nach außen kregel, finden sich drei Tänzerinnen und zwei Tänzer des Xiexin Dance Theatres in Shanghai für letzte Proben in der Clavadeira in Riom ein. Hier werden sie ab heute im Rahmen des Origen Festivals in Lucas Valentes neuem Werk „A House without Walls“ zu sehen sein. Der Brasilianer, der gerade beim Ballett Zürich seine Tänzerkarriere beendet hat, ist mit ihnen am Sonntag gemeinsam nach fast sieben Wochen in China in seiner Schweizer Heimat eingetroffen.

Aus der gigantischen chinesischen Metropole mit knapp 30 Millionen Einwohnern ins Bündner Bergdorf Riom, das zu einer Gemeinde mit etwa 300 Einwohnern gehört: Shao Yu Wang, Ge Yu Zhang, Yu Qui Lzu, Li Yu und Yan Zhang zeigen sich überwältigt von der Friedlichkeit des Ortes und der Gebirgslandschaft. Und erfreuen sich an einem in Shanghai unbekannten Luxus: Vor der Probe füllen sie ihre Flaschen mit frischem Quellwasser am Brunnen vor der ehemaligen Scheune, Spielstätte ihrer Premiere.

Internationales beim Origen Festival

Tänzer*innen aus aller Welt sind alljährlich in den Spielstätten des Origen Festivals zu sehen. Aber es ist ein Novum, dass eine Produktion komplett auf einem anderen Kontinent entstanden ist. Zu verdanken ist dieses Projekt dem Intendanten von Origen, Giovanni Netzer, und Xie Xin, die in der Schweiz und in China das Vorhaben von Lucas Valente unterstützten. Das Xiexin Dance Theatre (XDT), gegründet 2014, ist eine führende, innovative Kraft in der zeitgenössischen Tanzszene Chinas, hat – ihre Leiterin eingeschlossen – elf Tänzer*innen. Xie Xin, die Valente als „Powerhouse“ bezeichnet, ist eine gefragte Gastchoreografin, ihre Kompanie tourt in China und international, und Xie Xin ist auch mit Education Projekten und einem Modelabel sehr umtriebig. Schon lange fasziniert von der chinesischen Kultur, hegte Lucas Valente den Wunsch, mit einer dortigen Kompanie zu arbeiten und ist beglückt, dass dieser mit dem Xiexin Dance Theatre Realität geworden ist. Schon in Videos war er überwältigt von dem Können der XDT Tänzer*innen, die alle ursprünglich im traditionellen chinesischen Tanz ausgebildet wurden, bevor sie zum zeitgenössischen Tanz kamen, und im XieXin Dance Theatre auch zweimal wöchentlich klassisches Training absolvieren. 

Für Lucas Valente waren die Wochen in Shanghai ungemein bereichernd, neben seinen Proben gab er Training und Workshops, bei einem Festival in Shenzhen wurden kurze Auszüge des neuen Werks gezeigt. Geprobt wurde in Shanghai in den schicken neuen Studios des XDTs, die alten fielen vor zwei Jahren einem Brand zum Opfer. Valente hatte eine Infrastruktur zur Verfügung, die ihn schwärmen lässt, und die er auch auf Instagram mit warmen Worten honoriert. Und nun gibt es fern von Shanghai letzte Anpassungen für die kleine Bühne in Riom. Shao Yu, des Englischen am besten mächtig, dolmetscht für die anderen, es gibt ein paar Korrekturen, alle tarieren die kleine Bühnenfläche aus, die Stimmung ist entspannt. Lucas Valente ist seit Probenbeginn hin und weg von den Tänzer*innen: „Seeing these dancers move is worth every second of your time“. Der Blick in die letzten Proben gibt eine Ahnung davon, dass er recht haben könnte. 

Vorstellungen von „A House without Walls“ (und an denselben Tagen auch von „Lost Voices“ 2 von Juliano Nunes) am 30. und 31. Juli, 2. und 3. August