„Augen auf, Augen zu“ von Anna Till, Tanz: Simone Gisela Weber

Welke Haut und Selbstbestimmtheit

Anna Till mit „Augen auf, Augen zu“ in Dresden Hellerau

Das leidige Thema das Alterns – Hier kann offenbar keiner was damit anfangen. Zumindest scheint das alles ganz furchtbar und dröge zu sein. Echt jetzt?!

Dresden Hellerau, 17/10/2025

Im Jahr 2007 gaben Tina Turner und Cher der TV-Magnatin Oprah Winfrey ein gemeinsames Interview. Erstere war damals 68 Jahre alt, Cher 61. Und Cher war es, die auf Winfreys Frage, was sie über das Altern denke, antwortete: „I think, it sucks!“ Daraufhin wäre Tina Turner vor Lachen fast vom Stuhl gefallen. In Anna Tills Arbeit über das Altern „Augen auf, Augen zu“, die am Donnerstag im Kleinen Saal des Festspielhauses Hellerau Premiere gefeiert hat, sucht man einen solchen leichtfüßigen Moment vergebens. Altern, so der gesamte Tenor der Arbeit, scheint eine verdammt ernste und tatsächlich staubtrockene und vor allem blöde Angelegenheit zu sein.

Das ist so überraschend wie enttäuschend, denn gerade Anna Till ist für ihre Lebensfreude bekannt. Gegen Ende hin, wenn einige weibliche Stimmen aus dem Off zu Wort kommen und ihre spontanen Gedanken über das Altern teilen, dann hört man auch ihre Stimme. Mit Vergnügen spricht Anna Till von ihrem langen, schlanken Hals, der irgendwann „in Lappen“ hängen wird. Und dann hört man es, ihr bekanntes, helles Lachen. 

Wie alt fühlst du dich heute?

Das rettet aber nichts. „Augen auf, Augen zu“ fühlt sich an wie eine Drohung vor dem einen Schrecklichen im Leben. Die beiden Performerinnen Brit Rodemund und Simone Gisela Weber bringen Lebendigkeit nur in ihren farbenfrohen, geblümten Oberteilen mit. Sie selbst agieren irgendwo zwischen steif und mechanisch. Einen Stapel großer weißer Platten verwandeln sie in eine Art Behelfs-Behausung, unbehaust bleiben sie aber offenbar trotzdem. Die Platten dienen als Projektionsfläche für Reflexionsansätze: „Wie alt fühlst du dich heute?“ ist darauf zu lesen. Das bedeutsame Hochhalten von Dingen. Schwierig. Vorher haben Sie noch gemeinsam bis 21 gezählt. So alt fühlen sich die beiden also in jenem Moment. Von Stadien des Verfalls ist dann die Rede in den Projektionen, „Leben verlängern, Leben verdämmern“. Scheint ja grauenvoll zu sein, dieses Altern. 

Choreografisch pendeln sie mit den Armen wie eine (alte?) Uhr, schleudern Energie aus sich heraus oder versuchen, sie zurückzuholen, zögern, verändern den Rhythmus. Was teilweise sogar ungelenk wirkt, ist hier definitiv keine Frage des Alters. Es ist aber, welch Ironie, trotzdem leider choreografisch betulich. Wenn das momentweise in völliger Stille abläuft, fällt auf, dass es, im übertragenen Sinn, hier kein Kratzen gibt: Nichts und niemand kratzt beim Nachdenken über das Altern an einer Oberfläche. Da ist kein Widerspruch, kein Widerstand, keine Komplexität. Kein Wollen, keine Energie. Stattdessen alles übersichtlich, illustrativ. Das wird auch durch die Musik (Johannes Till) nicht aufgelockert. Stattdessen scheinen das Vogelgezwitscher, das Flirren und Bimmeln beliebig und bleiben ohne eigene Aussage. Die Dinge verbinden sich hier nicht miteinander.

Wo bleibt der Reifeprozess?

Wenn sich die beide Performerinnen fast ängstlich und Halt suchend aneinanderklammern, während sie sich im Zählen der „magischen Grenze“ 40 nähern, überzeugt das nur bedingt. Sie erwecken den Eindruck, als würde jetzt alles schwieriger. (Spoiler: Das stimmt nicht.) Dass dann mit großen Augen in die 50er gezählt wird, ist halt nur konsequent. 

Die Vielzahl jener Stimmen aus dem Off, sie sprechen zunächst tatsächlich nur von der Oberfläche. Das Altern in Form von Falten. Als wäre das tatsächlich signifikant. Haut, Beine, Gesicht, Dehnbarkeit. Wo bleibt da der Reifeprozess? Ein bisschen Ironie mit einem beherzten, alles zusammenraffenden Griff unter den Busen, mehr geht scheinbar nicht. 

Wenn es dann an den eigentlichen Kern der Sache geht, stehen die Aussagen der Frauen scheinbar isoliert neben dem Rest der Arbeit. Dann ist die Rede davon, dass man gefestigt sei, von dem Gefühl, zu wissen, was man tut. Gelassenheit. Auch das Gefühl, aus bestimmten Räumen ausgegrenzt zu sein, nicht mehr sichtbar zu sein, etwa für den Blick der Männer. Trotzdem: eroberte Sicherheit. 

Angst vor dem Altern haben wir alle. Das wissen wir. Eine eigene Aussage oder ein Zugriff auf das Thema wäre genau deshalb so entscheidend. Da dem hier nicht so ist, sucht man sich eben das Puzzleteil heraus, das am besten ins eigene Leben passt. Wie wäre es zum Beispiel mit der Aussage einer Frau, Altern sei cool und besser als gedacht? 

 

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