„any attempt will end in crushed bodies and shattered bones” von Jan Martens

„any attempt will end in crushed bodies and shattered bones” von Jan Martens

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Ein frischer Blick auf das DANCE Festival München

Studierende der Theaterwissenschaft der Ludwigs Maximilian Universität München besuchen das DANCE Festival München und teilen ihre Eindrücke.

München, 08/05/2021

Eine Geschichte der Einsamkeit. Serge Aimé Coulibalys Solo „Fitry“ im Videostream

Voller Zerrissenheit und Anspannung verkörpert der Tänzer Jean Robert Koudogbo Kiki einen einsamen Mann. Wir sollen keinen spezifischen Tänzer sehen, sondern die Idee eines Mannes und seiner zu hinterfragenden Position in der Gesellschaft. Trotz eindeutiger Themenankündigung bleiben offene Fragen.

Ein Mann steht alleine. Er steht in einem schwarzen Bühnenraum und wird von dramatischen Streichern untermalt. Es ist nicht klar, was ihn umgibt, was er sieht und was uns erwartet. Mit vorgestreckter Brust, die Arme weit ausgebreitet bewegt sich sein Körper in eine Position voller Symbolik. Sein Körper wirkt stark und stolz, doch sein Gesicht besitzt einen Ausdruck voller Schmerz. Sich körperlich präsentierend, beinahe an der Schwelle zur Melodramatik, fängt er an laut zu lachen. Auslachen oder hysterisches Lachen?

Sein Lachen bricht, ebenso die Musik. Es wird ruhig. Die Musik ahmt das Gefühl der Natur, der Nacht nach, ohne etwas Bestimmtes zu imitieren. Ebenso wirkt das Licht auf seinem Körper natürlich. Im Gegensatz dazu bewegt sich der Mann immer hektischer, rastloser. Performativ, fast animalisch, erscheinen die Bewegungen natürlich, impulsiv und sehr intim. Es besteht keine direkte Verbindung zu dem Rhythmus der Musik. Was uns gezeigt wird, ist ein seltener und ungewohnter Einblick in private Gefühlsextreme.

Trotz weiterhin verzerrtem Gesicht beruhigt sich der Körper kurzzeitig und versucht sich in die Naturgeräusche und die entspannenden, einladenden Bühnenprojektionen von Wasser, Bäumen und Wolken zu vertiefen. Jedoch findet er keinen Zugang. Energetisch springt und fällt er, beugt sich. Der Versuch in eine Choreografie zu der nun aufbauenden, orientalisch anmutenden Musik einzusteigen, scheitert. So mitreißend sie ist, scheint es unmöglich für ihn, eine harmonische Verbindung zu finden.

Dann ruhige Alltagsgeräusche. Obwohl die Klangfarbe ihn umhüllt und einfühlsamer wird, werden seine Bewegungen schneller und schneller. Er kämpft gegen sich selbst, möchte seinem Körper entfliehen. Frei von Rhythmus tanzt er unkontrolliert und hoch emotional. Der Raum, sowie der durchmischte Tanzstil, bleiben undefiniert, wechselhaft und verloren. Das sprunghafte Geschehen um ihn herum, legt den Fokus auf seinen Körper. Eine Flucht ist nicht möglich. Der Lichtkegel schließt sich und lässt ihn im Dunklen zurück.

Coulibaly erzählt uns eine intime Geschichte über einen Menschen.

Dennoch bleibt die in der Beschreibung der Aufführung betonte Frage: „Welche Haltung gegenüber der Menschheit will er (der Mann), soll er einnehmen?“ Die Betonung des Mannes können wir nicht vollständig nachvollziehen. Natürlich sind die Emotionen verständlich, unumgänglich expressiv. Doch das Chaos der Empfindungen gibt keine Antwort auf die Verantwortung dieses expliziten Mannes gegenüber der Gesellschaft. Somit fragen wir uns: Ist dies nicht einfach „nur” ein Mensch, geschlechtsunabhängig, der versucht sich in der Welt zurechtzufinden?

Und: Folgt auf die dunkle Nacht eine Hoffnung im Morgengrauen; „Fitry“?

Den Menschen inszeniert Coulibaly allein in dieser Welt zwischen Natur und Urbanität. In einem Interview spricht der Choreograf über das Gefühl „zwischen zwei Ländern zu sein“. Hier finden wir genau dieses Gefühl. Der Tänzer bewegt sich in einer unbekannten, wilden Zone; einem rechtsfreien Raum, in dem er immer wieder mit sich selbst konfrontiert wird. Coulibaly evoziert die Unfähigkeit des Menschen, ruhig und stabil zu sein: Eine traurige Ode an die menschliche Schwäche. Eine Geschichte der Einsamkeit.

von Sophie Peterson, Clara Brezinka


Der Rhythmus der Schritte. Lucinda Childs / Dance On Ensemble „Works In Silence“ (in Kooperation mit den Münchner Kammerspielen)

Eine leere Bühne, minimalistische Lichtkunst, Tänzer*innen in einfarbigem und einheitlichem Kostüm. Von Prunk und Überladung kann bei Lucinda Childs‘ „Works In Silence“ keine Rede sein. Alles ist reduziert, die Schritte wiederholen sich bis ins Ekstatische. Selbst auf Musik wird verzichtet. Und doch gibt es sie: die Musik ist der Rhythmus der Schritte.

Ein faszinierendes Werk wird dem Publikum des internationalen DANCE Festivals 2021 im Livestream geboten. Es setzt sich aus fünf Stücken von Lucinda Childs zusammen, welche sie in den 1970er Jahren kreierte. Die Duos, Trios und Ensemblestücke werden vom Dance On Ensemble interpretiert, das ein Zeichen für Diversität in der Tanzwelt mit besonderem Fokus auf das Alter der Tänzer*innen setzt. Denn diese sind über 40. Ty Boomershine, künstlerischer Leiter des Ensembles, Tänzer in der Choreografie und langjähriger künstlerischer Assistent Childs‘, erklärt im anschließenden Artist Talk, dass der „Plan B“ auf dem Weg zur Tanzkarriere immer ein Thema sei. Vorsorge für die Zeit, wenn eine Bühnenkarriere endet, sei das eine, sich einreden zu lassen, man könne jenseits der Mittdreißiger nicht mehr auf die Bühne, das andere. Boomershine, der die Stücke Childs‘ zusammensetzte, bietet dem Publikum eine wundervolle Chance, dieses Stück als Werk der Tanzgeschichte zu erleben.

Dabei fehlt es keineswegs an Aktualität! Obwohl die reduzierten Alltagsbewegungen den 1970er Jahren entspringen, sind sie beispielsweise auch in Jan Martens aktuellem Stück zu erleben. In Childs‘ Choreografie bedeutet das: gehen, hinlegen, springen, drehen und wieder gehen. Trotz des einfachen Bewegungsrepertoires entsteht eine Faszination im Rhythmus, der im Klang der Sohlen auf dem Boden hörbar wird. Er schafft ein Gesamtbild aus synchronen und aufeinander aufbauenden Bewegungen, die von den Tänzer*innen präzise ausgeführt werden. Trotz schneller, mechanischer Bewegungen und leerer Mimik, transportiert das abgestimmte Gesamtbild eine fließende und organische Form. Der Rhythmus der Schritte als verkörperte Lautmalerei, die weit über das mit Worten Artikulierbare hinausgeht und uns vor unseren Bildschirmen erreicht.

Johanna Drüszler und Masha Mollenhauer


Zooma Zoomarum: Tanzt! Ceren Orans „The Urge” – ein Live-Stream aus drei Städten feiert Uraufführung beim Münchner DANCE Festival 2021

Raus aus dem lethargischen Stillstand und der Antriebslosigkeit der verschiedenen Lockdowns, die die Menschen rund um die Welt in ungekannte Situationen bringen – Ceren Oran artikuliert in ihrer Performance „The Urge“ den Drang herauszubrechen und zu tanzen: so verschieden und individuell die Isolation auch Form angenommen hat, Oran komponiert ein Experiment, das die persönlichen Empfindungen und Wünsche von Tänzer*innen aus aller Welt in sich eingeschrieben trägt. Ein kathartisches Moment für Mitwirkende und Zuschauer*innen.

Kurze Impro-Clips von Tanzenden in ihren eigenen, einschränkenden vier Wänden, die in Lockdown-Zeiten auf Social Media gepostet wurden, dienen als Grundlage für Orans Konzept und Choreografie. Diese wurde am 8. Mai im Rahmen des Münchner DANCE Festivals 2021 uraufgeführt – als frei zugänglicher Live-Stream, zeitgleich aus München, Berlin und Köln. Die Anordnung der drei Videos erinnert an die Zoom’sche Galerie- oder Sprecheransicht, zwischen denen hin und wieder gewechselt wird.

Mit ihrem Tanzstück reflektiert Oran den Zeitgeist eines „kollektiven Traumas”, wie sie es im Artist Talk mit Simone Schulte konstatiert, und die Isoliertheit der Künstler*innen in der Pandemie. Sie arbeitet eng mit musikalischer Improvisation zusammen und unterstreicht so die Symbiose der beiden Kunstformen.

Mittlerweile rahmen Bildschirme gezwungenermaßen unsere Aussicht in die Welt. Dieses leider viel zu vertraute Fenster erfasst in „The Urge“ jedoch einen hoffnungsvollen Anblick. Den „Wohnzimmer-Improvisationen“ wird in urbanen Settings Raum und Weite gegeben – Parkhausdächer und Innenhöfe wirken hierbei fast schon wie geschützte Ruhepole inmitten der Großstädte. Begleitet von jeweils einem Live-Musiker, Saxophon in Berlin und München und Querflöte in Köln, wachsen die Gruppen der Performenden nach und nach auf je fünf Personen an.

Gefühlvoll, kraftvoll und voll unbeugsamen Willens tanzen die Gruppen als ein Körper in beeindruckender Synchronität – für sich, aber immer gemeinsam. Die Formationen, auch im kleinen Format der Videokonferenz-Ästhetik gut sichtbar, werden akribisch gehalten, synchron auch zwischen den drei Städten. Es gibt keinen Körperkontakt, trotzdem herrscht eine bestechende Verbundenheit zwischen den Tänzer*innen. Enge, kleine und intime, dann wieder weite, fast schreiende Bewegungen, sich reckende Hände. Hoch hinaus, zum Boden gebeugt, fließende und ruckartige Moves wechseln sich ab. Die seelischen Ups and Downs im Kollektiv.

Dann, ein eindrücklicher Stillstand der Ungewissheit: wie geht es mit mir und der Welt weiter?

Zu einem pulsierenden perkussiven Grundrhythmus von Hüseyin Evirgen, und den nun jazzig-kreischenden Solo-Instrumenten, zerfallen die Gruppen in den drei Städten immer mehr in entfesselten Improvisationen. Jeweils ein*e Solist*in bricht aus der kontrollierten Formation und tanzt: raumeinnehmend, ekstatisch, fast schon verzweifelt – befreit.

Oran erschafft eine kollektive Reflexion über die dem Virus verschuldete Angst vor körperlicher Nähe und das gleichzeitig ungestillte Verlangen nach Intimität. Es wird kein Licht am Horizont vorgegaukelt, stattdessen zeigen die Tänzer*innen einen Prozess, der zwar noch nicht vorbei ist – wir stecken weiterhin fest –, aber nach „The Urge“ ist zumindest ein kleiner glühender Funke versprüht: Verbundenheit wird immer Großes hervorbringen.

Klara Kiendl, Elisabeth Maslik


Digitale Uraufführung von Jan Martens’ „any attempt will end in crushed bodies and shattered bones” 

„Couldn’t we be doing this differently?“ In dem Live-Stream von Jan Martens' „any attempt will end in crushed bodies and shattered bones“ wird der beharrliche Revolutionsdrang mit dem Wunsch nach der friedlichen Koexistenz von Individuen verbunden. Ein eindrucksvolles, harmonisch-chaotisches Erlebnis, das nervenaufreibend und wunderschön anzusehen ist.

Ein junger Tänzer steht in der Mitte der Bühne, als dramatische Orchestermusik einsetzt. Die Kamera umkreist ihn, während er dynamisch-fließende Bewegungen ausführt, die Füße fest im Boden verankert. Der Tanz wirkt wie Musik einer gesprungenen Schallplatte, mit plötzlichen Wiederholungen und doch ist jede Wiederholung erhaben und kraftvoll.

So eröffnet Jan Martens mit seiner Choreografie „any attempt will end in crushed bodies and shattered bones“ das diesjährige DANCE Festival, das 17. Internationale Festival für zeitgenössischen Tanz der Landeshauptstadt München. Zusammen mit seinen 17 Tänzer*innen zwischen 16 und 69 Jahren untersucht er bewährte Formen physischen Protests. Vom heimischen Wohnzimmer aus erleben die Zuschauer*innen im Live-Stream aus dem Concertgebouw in Brügge, Belgien, eine kraftvolle Darstellung klassischer körperlicher Protestformen wie Gehen, Marschieren und Liegen. In Zusammenarbeit mit dem Dance On Ensemble und Diehl+Ritter zeigt das neueste Stück von Jan Martens eine „demokratische Choreografie“, spiegelt Varianten des politischen Aufbegehrens.

Der Abend folgt einer dreiteiligen Struktur: im ersten Teil kommen die Tänzer*innen, in schlichten grauen Kostümen (Kostüme:Cédric Charlier), alleine oder in Gruppen auf die Bühne und führen jeweils individuelle Bewegungsphrasen zu Henryk Mikołaj Góreckis „Harpsichord Concerto, Op. 40“ aus. Die Bewegungen wirken hektisch, fast schon manisch. Jede/r Tänzer*n bewegt sich für sich, unabhängig von den anderen.

Der zweite Teil, ein radikaler Kontrast: die dynamische Musik verstummt, ein Tänzer geht im Kreis. Nach und nach kommt der Rest der Gruppe dazu und es beginnt eine geometrisch angelegte Marsch-Choreografie, in welcher die Tänzer*innen als heterogene Einheit immer wieder zusammenfinden, sich durchkreuzen und auseinanderfallen. Linear-zielgerichtetes im Gleichschritt gehen und Stehenbleiben sind die einzigen Ausdrucksformen; bis auf die Worte einer Performerin, die in ihrem agitierenden Monolog verkündet: „What we want is need. What we need is want.“

Am Ende eine Spiegelung des ersten Teils, der doch eine ganz neue Wirkung erzielt. Die Tänzer*innen geben sich in einem harmonischen Chaos gegenseitig den Raum ihre Individualität, symbolisiert durch ihre jeweils eigenen Bewegungsphrasen, auszuleben und zur Geltung zu bringen. Dieser Teil erfährt einen zusätzlichen Cut: das Licht wird rot und Kostümstangen werden auf die Bühne gerollt. Mit dem grauen Hintergrund schienen die grauen Kostüme fast schon zu verschmelzen, nun werden rote, elegantere und extravagantere Kostüme angezogen. In einem letzten gemeinsamen ekstatischen Tanz sticht jeder Tänzer und jede Tänzerin trotz aller Harmonie noch einmal hervor.

Der Umgang mit dem digitalen Format ist Martens und seinem Filmteam wunderbar gelungen. Während den Zuschauer*innen im Theatersaal nur der eingleisig frontale Blick auf die Bühne gewährt wird, eröffnen sich im digitalen Format durch die dynamische Kameraführung vielfältige Perspektiven auf das Geschehen: Mit fünf Kameras wurde aus der Vogelperspektive, aus den Zuschauerrängen, sowie direkt auf der Bühne inmitten der Tänzer*innen live gefilmt. Den Zuschauer*innen vor dem Computerbildschirm bot sich so ein dynamisches, filmisch-aufregendes und ästhetisch-hochwertiges Seherlebnis. Üblicherweise sträube sich Jan Martens dagegen den Blick des Publikums zu lenken, wie er im Artist Talk mit Arnd Wesemann erklärte, doch hier hat der intermediale Ansatz großartig funktioniert.

Alleine der dritte Teil wurde nach einer Weile anstrengend, das sich immer wiederholende Musikstück von Górecki machte nervös, die sich immer wiederholenden Bewegungen verloren irgendwann an Wirkungskraft und auch wenn die Kameraperspektiven Abwechslung boten, schien alles irgendwann ‚zu viel‘ zu werden.

Diese Überforderung stand der Intention des Stücks jedoch nicht im Wege, im Gegenteil: in dem Monolog der Performerin des zweiten Teils äußert sie: „What we want is repetition. What we want is repetition.“ Denn nur in dem Beharren auf Veränderung kann diese auch erzielt werden. Erst wenn die Nerven der Verantwortlichen strapaziert sind, beginnen sie zuzuhören und im Idealfall die Demonstrierenden zu verstehen.

Martens hat ein emotionales Tanzstück geschaffen mit dem Fazit: wenn man etwas verändern will, so muss man zuerst innehalten, das Übel aktiv wahrnehmen, um dann beharrlich als Einheit dagegen vorzugehen - jedoch ohne sich dabei selbst zu verlieren. Die Macht der Gruppe liegt in der bereitwilligen Akzeptanz unserer Verschiedenheiten.

Elisabeth Maslik und Alisa Toyokawa


„Two for the Show – All for One and One for the Money“ von Richard Siegal und Tobias Staab; für das DANCE Festival München mit neuem Beginn

6. Mai 2021, München: Siegal und das Ballet of Difference. Siegal zufolge ein Ballett, das die aktuelle Sprache von heute spricht. Die selbstbewusste Formulierung „anders“ zu sein formt das Programm. Die Choreografie entwickelt sich zu einem interaktiven Hybridmedium mit Inhalten von Schauspiel und Performance Art. Dem Social-Media-Kapitalismus ausgesetzt, experimentiert sie mit Worten und Körpern. Schwarze Fenster mit blauen Pixeln, Retro-Gamedesign und der rettende Refresh-Button. Was erwartet uns?

Siegal spielt. Er spielt mit Technik, Medien und unserer digitalisierten Gesellschaft. Das Publikum sitzt, durch Usernames zusätzlich anonymisiert, vor einem Bildschirm mit drei Stream-Fenstern und einem Live-Chat. Es sitzt der überfordernden Möglichkeit gegenüber, mehrere Perspektiven einer Performance gleichzeitig wahrzunehmen. Eine Gratwanderung zwischen Spaß und Anstrengung. Andauernd der subtile Stress, etwas zu verpassen.

1. Akt. Ein Raum mit meterhohen Leuchtröhren in asymmetrischer Anordnung. Die Tänzer*innen erscheinen immer wieder aufs Neue zu kurzlebigen Videospiel-Soundtracks von Markus Popp, die, wie in der Playlist-Welt, nach kleinen Pausen wechseln. Gleichzeitigkeit und Überlagerung in den Tanzstilen. Rhythmen und Lichteffekte beherrschen die anonymen Körper. Flora Mirandas silbrig flackernde, geometrische Kostüme verleiten zu rastlosem Tanz. Das Lichtdesign determiniert den räumlichen Überblick. Immer neue Sichtachsen und Schattenwürfe führen zu einer dynamischen Raumwahrnehmung.

2. Akt. Weiter im Strom. Voneinander unabhängige Performances schöpfen das Potenzial der simultanen Streams aus. Let’s Play-Romantik und Twitch-Kommentare. Für Geld bekommst du mehr. Special-Streams, mehr vom Mehr. Der Kapitalismus wird zum Teil dieser digitalen Kunst, der Grad der Übersättigung steigt immer weiter, die Chat-Aktivität sinkt rapide. Man rezipiert aus der Faulheit, wegklicken. Ein Triumph für Siegal?

Ständige Assoziationen zur Schnelllebigkeit des Internets, dem Ort der Gleichzeitigkeit und der endlosen Möglichkeiten. Diese Assoziationen verbinden sich mit der Realität der Zusehenden und zeigen, dass das Durchzappen die Konzentrationsfähigkeit immer weiter abbaut. Die Entscheidung zwischen den Streams wird belanglos. Die Tanz-Bewegungen haben keine Relevanz, erliegen der Fülle anderer Eindrücke.

Wir sitzen erschöpft und überreizt in den eigenen vier Wänden. Allein, wie die Tänzer*innen. Isolierter Tanz ohne Gruppengefühl. Der Drang den Laptop zuzuklappen; Realität fühlen, da sein und kurz die Augen schließen. Der letzte Kommentar im Chat: „The world is beautiful. Look, look, it’s great out there.“

von Clara Brezinka und Klara Kiendl
 

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