„You Happy Puppet“ von Niv Sheinfeld und Oren Laor

„You Happy Puppet“ von Niv Sheinfeld und Oren Laor

Puppentanz in der Wirklichkeits-Fata-Morgana

„You Happy Puppet“ von Niv Sheinfeld und Oren Laor

Vom 21. bis 26. Mai zeigte das diesjährige Off-Europa-Festival in Dresden, Chemnitz und vor allem Leipzig Theater und Tanz aus Israel. Den Anfang machte „You Happy Puppet“, eine Choreografie von Niv Sheinfeld und Oren Laor.

Leipzig, 30/05/2019

Explizit politisch würde es beginnen, das diesjährige, mit „Mapping Israel“ überschriebene Off-Europa-Festival. So verkündete es an dessen Eröffnungsabend Festivalleiter und Kurator Knut Geißler in einer kleinen Begrüßungsrede im gut besuchten Leipziger Lofft. Kurz bevor dann in „You Happy Puppet“ die Puppen tanzten.

Ganz klar: Für eine künstlerische Vermessung des Gastlandes Israel wie auch für die seit je sehr eigene künstlerische Kartographie des Off-Europa-Festivals ist diese Inszenierung ein optimaler Anfangspunkt. Ein Stück, reizvoll eigen. Eine choreografische Komposition des Improvisierten, des (scheinbar) Unfertigen, das, in eine spielerisch schräg taumelnde Harmonie gebracht, wie ein Schein-Provisorium wirkt. Freilich eins, auf auch tanztechnisch hohem Level.

„You Happy Puppet“ ist eine Parodie, der es todernst ist. Eine Polemik, der die Tragik nicht fehlt. Zu sehen sind eine Tänzerin (Yael Sofer) und zwei Tänzer (Tomer Giat und Tomer Pistiner) auf einer von blauem Neonlicht umgrenzten Bühnenfläche. Ein Setting maximaler Nüchternheit, das gekonnt die (fast) zu glaubende Suggestion einer Probensituation hervorruft. Was sich maßgeblich auch Niv Sheinfeld und Oren Laor verdankt. Beide sind für die Konzeption und Choreografie von „You Happy Puppet“ verantwortlich und beide sitzen sie wie die Autoritäten des Geschehens am Bühnenrand, sind die souveränen Strippenzieher, die die Menschen-Puppen tanzen lassen.

Nur sehen diese Puppen dabei zunehmend weniger happy aus. Zumal Pistiner erweckt bald den Eindruck eines Norman Bates in der Karaoke-Bar, wenn er wieder und wieder und ansteigend psychotisch den Gesang zu „The Sea of Love“, dem Hit der 80er-Jahre-All-Star-Retorte The Honeydrippers, anstimmen muss. So wie sich auch wieder und wieder Tanzfiguren formieren, denen Sheinfeld/Laor den letzten Schliff oder auch die korrekte Bewegungsrichtung zu geben versuchen.

Die nun darf vor allem eins nicht: Arabisch aussehen. Das geht gar nicht. Nie! Und wo die Forderung, man möge während des Tanzes bei bestimmten Figurationen mal bitte darauf achten, den rechten Arm nicht so weit hoch zu strecken, noch als freundliche Geste an die deutschen GastgeberInnen durchgehen mag, die man nicht mit den Unrühmlichkeiten ihrer Geschichte belästigen will, ist bezüglich dieses Punktes kein Spielraum gegeben.

In einem Interview mit der „Jerusalem Post“ erklärte Sheinfeld einmal, dass sich die Inspiration zu „You Happy Puppet“ einer von politischer Seite forcierten „allgemeinen Stimmung“ in Israel verdanke, die an die Stelle einer „aufrechten und direkten Kommunikation“ nur „leere Slogans“ setze, die von „einer ernsthaften Diskussion über brennende Probleme“ ablenken sollen. Was ja weiß Gott erst einmal kein genuin israelisches Problem ist – nur dass das dort ob der bekannten Situation einen ganz anderen Intensitätsgrad bekommt.

Einen, der dann auch in dieser Inszenierung spürbar wird. „Denke nicht, tanze!“ ist die Parole. Und so tanzen sie denn, die drei auf der Bühne zu den Vorgaben vom Bühnenrand. Grotesk und schön, immer darauf bedacht, das 'Arabische' draußen zu halten, und in Posen, aus denen dann auch das Gespenst eines sterbenden Schwans gleich einem 'leeren Slogan' ersteht. Hinein flatternd in eine Theaterblutorgie zwischen Kopfschüssen und Kehle durchschneiden, auf die Sheinfeld/Laor erst mit einem bitterbösen „That was beautiful, thank you!“ reagieren, bevor sie sich selbst in den Bewegungsfluss auf die Bühne begeben.

Strippenzieher, die selbst an Strippen in einer Wirklichkeits-Fata-Morgana schweben, aus der sie final nicht mal der begeisterte Applaus freiklatscht. Unerlöste, zum Tanz verdammt, in Blut gebadet. Parodie und Polemik sind da längst schon zur garstigen Gegenwartsallegorie geworden. Und weiß Gott keine, die man nur auf Israel begrenzen sollte.
 

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