Wenn der Boden unter den Füßen fehlt

Zur Tanzdokumentation „Die Bretter, die die Welt bedeuten“ von Robert Ssempijja bei den Mannheimer Schillertagen

Einen Ort für zeitgenössischen Tanz gibt es in Uganda derzeit nicht. An Motivation und Kreativität fehlt es aber nicht.

Mannheim, 28/06/2019

Man kann sich darauf verlassen: Geflügelte Worte stammen in überwältigender Überzahl aus der Bibel oder aus den Werken von Goethe und Schiller. „Die Bretter, die die Welt bedeuten“ ist ursprünglich eine Zeile aus Schillers Ode „An die Freunde“. Der ugandische Tänzer Robert Ssempijja hat die poetische Formulierung wörtlich genommen: Für das dokumentarische Tanzstück „Die Bretter, die die Welt bedeuten“ (mit erdacht von Choreograf Christoph Winkler) hat er eben jene Bretter aus seiner Heimatstadt mitgebracht. Der Abbau der Bühne in Kampala ist kein Gag: Das einzige Studio in Uganda für zeitgenössischen Tanz musste schließen.

Der Bretterhaufen, den Robert Ssempijja auf den Tanzboden im Mannheimer Werkhaus mehr fallen lässt als schichtet, lässt nicht auf einen großen Raum schließen. Aber es gibt in ganz Ostafrika nicht einmal einen kleinen Raum, in dem sich junge TänzerInnen treffen und ihre Erfahrungen austauschen können – es gibt gar keinen. Seitdem arbeitet der junge Tänzer, der ein Diplom an der École des Sables im Senegal anstrebt, am Aufbau einer entsprechenden Organisation.

Dafür kann es mal schon mal hilfreich sein, mit dem Publikum im Sprechchor die Namen der Stiftungen einzuüben, die Ansprechpartner für Tanzprojekte sind oder sein könnten. Bühnenpräsenz und Charme genug hat dieser Tänzer, um locker eine sechzigminütige Performance auszufüllen. Wenn er auf dem wackligen Bretterhaufen kleine verwegene Kunststücke ausführt, wird unmittelbar klar, wie unsicher der Boden für künstlerisches Arbeiten in Uganda ist. Anfangs gibt es eine kleine politische Nachhilfestunde über die Kultur der (selbstverständlich) verfeindeten Stämme in Uganda, über Kolonialgebaren, Bürgerkrieg und traditionelle einheimische Tänze – alles mit Witz und Ironie aufbereitet und immer wieder ins Tänzerische umgesetzt.

Über 300 Bewerbungen an europäische Hochschulen und Ausbildungsstätten für angehende TänzerInnen und ChoreografInnen hat der Afrikaner geschrieben, nicht eine einzige Zulassung hat er erhalten. Das gibt zu denken angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der er das Publikum der Schillertage um den Finger wickelt. Mit der aktuellen Performance in der Bewerbungsmappe hätte er sicher bessere Chancen. Aber Robert Ssempijja, der es endlich nach Europa geschafft hat, will da eigentlich gar nicht mehr hin, jedenfalls nicht auf Dauer. Sein Traum ist eine Begegnungs- und Produktionsstätte für zeitgenössischen Tanz in Ostafrika. Aber noch sind die Bretter, die ihm die Welt bedeuten, nirgendwo endgültig angekommen.
 

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