Frauenleben

STANDPUNKT.e 2016: Pat Graney (Seattle/USA) zu Gast in München

Pat Graney präsentierte im Schwere Reiter Sequenzen aus ihrer 2015 entstandenen Arbeit „Girl Gods“ und gab Einblicke in ihren Workshop mit geflohenen jungen Frauen.

München, 07/06/2016

Von Katharina Pößnecker

Im Rahmen der 2009 entstandenen Reihe STANDPUNKT.e der Tanztendenz München residierte die amerikanische Choreografin Pat Graney zusammen mit ihren Tänzerinnen Sruti Desai, Sarah R. Hogland und Jenny May Peterson für drei Wochen in München. An diesem Wochenende (03. & 04. Juni 2016) fand das öffentliche Showing im Schwere Reiter statt. Unter dem Titel „STANDPUNKT.e – welcome to my world. Choreografen laden ein in ihre Welt“ präsentierte Pat Graney Sequenzen aus ihrer 2015 entstandenen Arbeit „Girl Gods“ und gab Einblicke in ihren Workshop mit geflohenen jungen Frauen. Das Showing war als ein Kennenlernen der choreografischen Arbeit gestaltet. Ausstellung, Performance und Dialog folgten nacheinander.

Autobiografien in fremden Sprachen und gebrochenem Deutsch hängen in Großformat im Foyer des Schwere Reiter. Daneben hängen fotografische Porträts von Frauen, die ein leichtes Lächeln auf den Lippen verbindet. Die auf den Fotos abgebildeten Frauen sind Teilnehmerinnen von Pat Graneys Workshop. Es sind geflohene Frauen, die in der Einrichtung Haus Brigitta in Tutzing leben. Aus den Bildern erschließt sich weniger ein tatsächlicher Eindruck aus dem Workshop, als vielmehr ein Hinweis auf die Grundlagen und Themen auf denen Pat Graneys künstlerischer Arbeit basiert: Frauen und deren Biografien.

Pat Graney machte Anfang der 1990er Jahre mit ihrem Community Art Projekt „Keeping the Faith“ in den USA auf sich aufmerksam. Es richtet sich an inhaftierte Frauen, die isoliert von der Gesellschaft ihren Alltag bestreiten. Im Gefängnis erarbeitet Graney mit den Frauen kleine Performances für die Öffentlichkeit. Neben dem über 20 Jahre fortlaufenden sozialen Kunstprojekt entwickelt Graney in regelmäßigen Abständen mit ihrer Kompanie eigene Stücke.

Die STANDPUNKT.e Performance ist eine Neuzusammensetzung aus Teilen des 2015 entstandenen Stücks „Girl Gods“. Die Choreografin widmete das Stück ihrer an Alzheimer erkrankten und verstorbenen Mutter. Verhandelt werden Formen von Körperlichkeit, in der Auseinandersetzung von weiblichem Zorn und femininen Stereotypen. Voraus ging ein langer Rechercheprozess, in dem das soziale Netzwerk zum Bilder sammeln – Pinterest – eine ebenso wichtige Rolle spielte, wie die Befragung der eigenen Mütter. Die Tänzerinnen berichten im Nachgespräch von sehr unterschiedlich ausgefallenden Reaktionen auf die intime Frage, wie ihre Mütter mit Zorn umgehen. In der mächtigen und klaren Bildsprache sind diese Unterschiede verarbeitet. Es wird sich auf den Kopf gestellt und dabei ausgezogen, laut geschrien oder in sich hineingefressen. Die streng eingehaltene Schwarz-Weiß-Rot-Ästhetik setzt starke Kontraste und fördert das von Pat Graney gesuchte Schöne im Hässlichen oder das Hässliche im Schönen. Die Bewegungssprache ist weniger eindeutig und ausdrucksmächtig, was der Performance hilft, eine leichte Lösung von den ausgestellten Klischees herzustellen. Ausgehend von 80 Pinterest-Bildern, aus denen die Tänzerinnen 10 aussuchten, erschufen sie eine Sprache, die Posen in Bewegung übersetzt und sie dabei gleichzeitig manipuliert. So wurden sie von Kopf bis Fuß auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Die Posen in Bewegung wirken angenehm langsam und tragen zu einer Entschleunigung bei. Sie steuern der Aufgeregtheit entgegen, die von ausgespuckten roten Kaubonbons auf einem weißen Spitzenkleid ausgeht.
 

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