Shakespeare meets Africa
Dada Masilo mit „Hamlet“ in der Kampnagelfabrik
Das Leichte ist bekanntlich besonders schwer. Deswegen ist es ganz folgerichtig, dass der Mannheimer Ballettchef Kevin O’Day vor dem Griff nach einem Komödienstoff erst einmal einige Schwergewichte von Shakespeare gestemmt hat („Hamlet“ in Stuttgart, „Romeo und Julia“ sowie „Othello“ in Mannheim). Die „Zwei Herren aus Verona“ nehmen sich da eher wie eine literarische Fingerübung aus. In Shakespeares frühester Komödie kommen zwar die wichtigsten Ingredienzien seiner populären „leichten“ Stücke bereits vor – Liebesverblendung, konkurrierende Liebhaber, deren Gefolgsleute, Frauen in Männerkostümen und ein weiser Fürst, der am Ende alle erotischen Verwirrungen wieder zurechtrückt – aber noch in einem sehr hölzernen, wenig überzeugenden Handlungsverlauf.
Der langjährige Tanzchef am Nationaltheater hat sich in an den Ungereimtheiten des Librettos nicht gestört, ganz im Gegenteil. Weil Shakespeare es nicht so genau genommen hat mit der Logik, hat Kevin O’Day es nicht ganz so genau genommen mit Shakespeare, und weil die Charaktere der Vorlage arg holzschnittartig ausfallen, hat der Choreograf in Sachen Klischee noch mal eins drauf gesetzt – schließlich darf und soll gelacht werden in einer Komödie.
Ausstatter Thomas Mika hat bei den Kostümen ungeniert in die Vollen gegriffen und lässt den Grafen von Kurpfalz als Napoleon-Verschnitt auftreten, den einen der konkurrierenden Freunde in Tenniskluft, den anderen in einer griechischen Toga; Gefährte Speed kommt per Mofa. Die Dorfschönheit Julia trägt Dirndl (und als Mann verkleidet fesche Lederhosen), des Grafen schöne Tochter Silvia ein rosa Tanzkleid. Nicht zu vergessen die Räuberbande, die in gelbschwarzen Ringelanzügen steckt – eine Mischung aus Panzerknacker und Biene Maja. Dafür bleibt die Bühne schlicht und stilisiert, ein Winkel mit hohen Wänden, ein Scherenschnitt–Wald und hohe eckige Stelen als Stadtsilhouette reichen völlig aus. Den Rest besorgt Lichtdesigner Mark Stanley, der die Bühne ungeniert in Bonbonrosa, leuchtendes Orange oder kühles Blau taucht, geometrische und ornamentale Muster zaubert und so das Spiel mit dem Lustspiel vergnügt weitertreibt.
Alles andere lässt Kevin O‘Day tanzen. Augenzwinkernd bietet er seinen bewährten Protagonisten die Chance, zu großer Form auflaufen, und sie nutzen sie - allen voran das Quartett Valentine (Malthe Clemens), Proteus (Brian McNeal), Julia (Nadège Cotta) und Silivia (Julia Headley). Dass es bei nur dreizehn Tänzern eine Zweitbesetzung für nahezu alle Rollen gibt, zeigt, wie sehr sich der Ballettchef auf sein Ensemble verlassen kann.
Eine Tanzkomödie lebt schließlich auch von der Musik – und hier hat Kevin O’Day sich auch was getraut und Thomas Siffling mit einer speziellen Komposition beauftragt. Der Jazztrompeter, längst integrativer Bestanteil der lebhaften Musikszene Im Rhein-Neckar-Raum, hat zwar schon mehrfach zuvor mit dem Mannheimer Ballett gearbeitet – aber eine solch explizite Arbeit, in der Thema, Stimmung und Zeitdauer vom Tanzgeschehen auf der Bühne bestimmt werden, ebenso die große, neunköpfige Besetzung waren Neuland für ihn. Aber nur wer wagt, kann gewinnen – und am Ende gab es verdienten Extra-Beifall für den witzigen, anspielungsreichen, stimmungsgenauen und schmissigen musikalischen Part.
Das Timing dieser Premiere ist speziell – noch taufrisch ist die Nachricht, dass Kevin O’Day nach der kommenden Spielzeit das Nationaltheater verlassen wird. Wie so viele Theaterleute vor ihm stolperte er über die „Unkündbarkeitsklausel“, die nach 15 Jahren ununterbrochenen Tätigkeit den gesetzlichen Anspruch auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag regelt. Auch dieses gut gemeinte Gesetz hat zwei Seiten.
Nächste Aufführungen: 11. und 20.2., 4., 15. und 21.3., www.nationaltheater.de
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