„Chronic Hiccup – ein Konzert“ von: Ann-Kathrin Quednau

„Chronic Hiccup – ein Konzert“ von: Ann-Kathrin Quednau

Gegenseitiger Schluckauf

Ann-Kathrin Quednau inszeniert ein minimalistisches Konzert auf K3 - Tanzplan Hamburg

In ihrer Performance „Chronic Hiccup – ein Konzert“ widmet sie sich dem Hoquetus; einer musikalischen Technik bei der verschiedene Töne von zwei oder mehr Singstimmen virtuos aneinander gesungen werden.

Hamburg, 28/06/2014

Von Jonas Leifert

Zwei Performerinnen stehen sich diagonal gegenüber. Gemeinsam stimmen sie sich ein – nein – sie stimmen vielmehr den Raum ein. Sie singen zwei unterschiedliche Töne, die gemeinsam klingen, den Raum zum Klingen bringen, ihn in seiner Weite und Tiefe hörbar machen. Die Töne sind lang gezogen und wenn den Sängerinnen die Luft ausgeht, klingt der Raum noch leise nach, schallen die Töne für kurze Zeit gespenstisch durch die alte Industriehalle. Die alten Backsteinmauern des Veranstaltungsraumes K1 sind weiß getüncht und hell ausgeleuchtet. Durch die großen alten Fabrikfenster dringt das Tageslicht in den Raum. Das Publikum sitzt sich in zwei Gruppen auf Sitzpolstern gegenüber. Zwischen den Zuschauern erhebt sich eine kleine quadratische Spielfläche. Der Rest des Raumes ist leer: Betonböden, weiße Wände, eine schwarz abgeteilte Seitenwand und alte Dachträger aus Stahl, mit Licht-Traversen und Scheinwerfern unter der Decke. All diese Materialien werden durch die beiden Stimmen der Performerinnen zum Schwingen gebracht und reflektieren den Klang zurück in den Raum.

In ihrer Performance „Chronic Hiccup – ein Konzert“ widmet sich die Hamburger Performance- und Klang-Künstlerin Ann-Kathrin Quednau gemeinsam mit ihrer Dramaturgin Heike Bröckerhoff dem Hoquetus; einer musikalischen Technik bei der verschiedene Töne von zwei oder mehr Singstimmen virtuos aneinander gesungen werden. Die Verschränkung von verschiedenen Stimmen oder auch Instrumenten führt zu einer komplementären Ergänzung. Hoquetus oder auch Hocketing wird seit dem 14. Jahrhundert als Stilmittel in unterschiedlichen Musikgenres eingesetzt. Zusammen mit ihrer Mitspielerin Alyssa Marie Warncke stellt Quednau dabei die performativen Elemente dieses alternierenden Klangsystems aus.

Die beiden Gesangskörper bewegen sich meist rotierend durch den Raum oder sie durchschreiten ihn diagonal. Die Elemente des umeinander Kreisens und des diagonalen Durchquerens bestimmen die choreografischen Elemente der Klangperformance. Schon während sie die Architektur mitsamt des Publikums einstimmen, beginnen die beiden Performerinnen den Raum an seinen Außenwänden langsam abzuschreiten. Dabei beginnt sich der Sound um die Zuschauer zu drehen. Der Klang rotiert langsam im Raum und tastet ihn förmlich ab.

Nach dieser Einstimmung positionieren sich beide Sängerinnen diagonal gegenüberstehend auf dem mittigen Podest. Sie beginnen einzelne Töne im Stakkato anzustimmen, die sich gegenseitig abwechseln. Langsam steigern sie ihr Tempo und durch immer kürzer werdende Pausen verschmelzen die einzelnen Töne miteinander. Die beiden Sängerinnen werfen sich die einzelnen Töne hin und her, sie spielen sie sich gegenseitig zu. Die unterschiedlichen Töne, die abwechselnd gesungen werden, verschmelzen mit steigendem Tempo zu einer mehrstimmigen, polyphonen Klangstruktur, bei dem nicht mehr auszumachen ist, von welchem Körper sie hervorgebracht werden. Der Klang materialisiert sich zwischen den beiden Mündern der Performerinnen und schwingt zwischen den beiden Körpern hin und her. Das Publikum sieht die beiden sich im Profil gegenüberstehen und durch den Sound, der von beiden Körpern in schneller, virtuoser Abfolge produziert wird, kann man den Klang zwischen ihren beiden Mündern förmlich sehen. Die Szene zeigt, wie der Klang körperlich hervorgebracht wird. Auf der einen Seite ist zu beobachten, wie sich mit steigender Lautstärke und sich beschleunigendem Rhythmus zunächst die Münder, dann der Kehlkopf und der Brustkorb bewegen und sich schließlich die gesamte Körperhaltung verändert, um die Stakkato-Töne hervorzubringen. Andererseits baut sich eine Melodie auf, welche – mit steigendem Tempo – zu einer harmonischen Abfolge der einzelnen Töne führt. Innerhalb dieser Melodie sind die beiden Körper der Performerinnen einerseits ideell über den gemeinsam hervorgebrachten Klang miteinander vereint, auf der anderen Seite sind die Körper voneinander abhängig und dem Fortlauf der Melodie verpflichtet. Die Körper der Sängerinnen sind vereint durch die Melodie; eine utopischen Verbindung die ganz und gar dem Wunsch einer harmonischen Gemeinschaft entspringt. Gleichzeitig sind die Körper angängig von diesem übergeordneten Klangsystems, welches die Performance als Metatext oder Score bis zu ihrem Ende hin bestimmt.

Im weiteren Verlauf des Konzerts nehmen die Performerinnen die choreografischen Elemente des Raum-Umkreisens sowie des ihn diagonal Durchquerens immer wieder auf. Dabei spielen sie innerhalb der harmonischen Melodie mit den Interferenzen ihrer Stimmen, mit abrupten Pausen und Interruptionen und deren Stille. Töne werden durch Atem- und Stimm-Geräusche ersetzt, der Rhythmus variiert, Klangrichtungen werden verändert und mit der Lautstärke wird gespielt. Dabei erinnert der Klang an unterschiedliche Musik-Stile und Epochen; stellenweise an Kammermusik der Renaissance, an Klangexperimente der 60er Jahre, aber auch an elektronische Minimal Music.

Im Laufe des Abend schließen die Zuschauer immer wieder ihre Augen und man kann sie beobachten, wie sie lächelnd dem Konzert lauschen.
 

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