„10 Years in 1 Minute - Still Moving“ von Jee-Ae Lim

„10 Years in 1 Minute - Still Moving“ von Jee-Ae Lim 

Tanz, der (k)eine Heimat braucht

„10 Years in 1 Minute - Still Moving“ von Jee-Ae Lim auf K3 in Hamburg

Die beiden Tänzer in neutraler schwarz-grauer Trainigskleidung zeigen auf der Bühne ihre jahrelang erlernten Körpertechniken, um sich diese - wenn irgend möglich - gegenseitig beizubringen.

Hamburg, 16/03/2014

Von Katya Statkus

Die gebürtige Koreanerin Jee-Ae Lim brachte in ihrer choreografischen Arbeit den traditionellen koreanischen Tanz und die zeitgenössische Tanzästhetik schon mehrmals zusammen. Dennoch fügt sie für die neueste Produktion, die auf Kampnagel Hamburg ihre Premiere feierte, noch ein weiteres Element hinzu: das klassische Ballett, verkörpert durch den rumänischen Tänzer Sergiu Matis.

Die beiden Tänzer in neutraler schwarz-grauer Trainigskleidung zeigen auf der Bühne ihre jahrelang erlernten Körpertechniken, um sich diese - wenn irgend möglich - gegenseitig beizubringen. Uns als westlichen Zuschauern fehlt natürlich die Kenntnis, die Zeichen des traditionellen koreanischen Tanzes zu dekodieren, dennoch ist sein Unterschied zum etwas mehr vertrauten klassischen Ballet spannend zu beobachten: von der Art und Weise, wie man die Fußspitze streckt und das Bein hochhebt bis zum dies begleitenden Gesichtsausdruck. Je mehr die Tänzer ihr Bewegungsmaterial miteinander tauschen, desto mehr — den Soundscapes von Kyan Bayani folgend — segmentieren und samplen sich ihre tänzerischen Gesten. Die können am Ende gar nicht mehr spezifisch einer Tradition zugeschrieben werden. Die Bewegungen an sich bleiben nichts desto trotz immer noch menschlich, sinnlich und lassen die Tänzer nicht zum Roboter werden — eine starke Bewegungsqualität, die eher selten bei der Segmentierung des Tanzes vorkommt.

Der Zusammenstoß verschiedener Tanzkulturen wird in dem Stück noch durch die charmanten pseudo-dokumentarischen Videos kommentiert. Ein rumänischer Choreograf, der wegen seiner experimentellen Herangehensweise sein Land verlassen musste, und eine koreanische Tänzerin, die nach ihren erfolgreichen Gastspielen im Westen in ihrer Heimat zurückkehrt, sind die beiden Protogonisten dieser Aufnahmen. Aus den 1960ern sagen diese Helden voraus, dass der Tanz in 50 Jahren immer mehr von der Technik beeinflusst werde, oder schon gar nicht mehr existiere. Jee-Ae Lim zeigt, dass es ihm im Jahr 2014 noch gibt, aber dass man das Normative daran (vielleicht sogar im zeitgenössischen Tanz vor allem) noch weiter hinterfragen muss.
 

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