Frey Faust bei seinem Vortrag „Optimales Körpertraining unter der Berücksichtigung der Funktion von Faszien“

Frey Faust bei seinem Vortrag „Optimales Körpertraining unter der Berücksichtigung der Funktion von Faszien“

„Faszi/e/n/ation Tanz - bewegte Vernetzung“

Erfahrungsbericht von Tarah Malaika Pfeiffer zum 12. tamed-Kongresses

Berlin, 01/06/2012

Von Tarah Malaika Pfeiffer

Vom 1. bis 3. Juni fand dieses Jahr der 12. Kongress des Vereins tamed (Tanzmedizin Deutschland e.V.) in den Räumen des Hochschulübergreifenden Zentrums für Tanz (HZT) in den Uferstudios in Berlin statt. Nachdem ich den letzten Kongress leider verpasst habe, hatte ich dieses Jahr glücklicherweise wieder einmal die Chance, dabei zu sein.

Das Thema dieses Kongresses war „Faszi/e/n/ation Tanz - bewegte Vernetzung“ – es ging also in den meisten Vorträgen und Workshops um das Fasziennetzwerk im Körper sowie um das Bilden von Netzwerken in den Berufsfeldern Tanz, Physiotherapie und Tanzmedizin. Die Vorträge – welche im größten Saal des HZT, der zum Plenum umfunktioniert worden war, stattfanden – waren in fünf Blöcke aufgeteilt, jeweils mit einem anderen Titel (Netzwerk Faszien, Netzwerk Tanzmedizin, Netzwerk Körper, Netzwerk Praxis und Netzwerk Tanz) und befassten sich mit unterschiedlichen Aspekten der Tanzmedizin. Dabei wurden z.B. der Verlauf und die Ergebnisse verschiedener Studien präsentiert, Fallbeispiele von Verletzung und Rehabilitation beschrieben oder neue Konzepte zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Tänzern dargeboten. Zusätzlich gab es zwei Workshop-Blöcke – man hatte bereits bei der Anmeldung zum Kongress die Auswahl zwischen jeweils acht verschiedenen Workshops – die in den Studios des HZT stattfanden. Außerdem gab es bei diesem Kongress die „Bewegte Zeit“, bei der innerhalb von zwei Stunden sieben verschiedene Vorträge parallel präsentiert wurden und die Teilnehmer bei den jeweiligen Vorträgen je nach Interesse kommen und gehen konnten.

Eine weitere Neuigkeit bei diesem Kongress war die Einteilung in „Fachgruppen“ (Ärzte, Therapeuten, Dance Science, Tänzer und Tanzpädagogen) die sich am Sonntagvormittag zu einer eineinhalbstündigen Vortragssession und einer einstündigen Diskussionsrunde trafen. Es fand auch wie immer ein Rahmenprogramm statt, dass aus einer Performance von Studierenden des HZT, einer „Get-Together-Party“, dem Besuch einer Vorstellung des Staatsballett Berlins („Duato, Forsythe, Goecke“) im Schillertheater sowie einer Posterausstellung und zahlreichen Infoständen am Veranstaltungsort bestand. Thema des gesamten Kongresses war – wie bereits angesprochen – das Fasziennetzwerk des menschlichen Körpers, welches laut neuer Definition aus allem Kollagen haltigem, weichem Bindegewebe besteht. Wie es scheint, hat die Faszienforschung erst in den letzten Jahren einen größeren Stellenwert eingenommen; es wird immer deutlicher, dass das Bindegewebe unseres Körpers viel mehr Aufgaben wahrnimmt als nur zu „binden“. Mikroskopische Aufnahmen in das Körperinnere zeigen die Formveränderlichkeit und Elastizität der einzelnen Fasern des Bindegewebes, die wie flüssig ineinander übergleiten, sich strecken, zusammenziehen und neu verzweigen. Tatsächlich scheint es so, dass das Bindegewebe die Fähigkeit besitzt, sich den Muskelbewegungen flüssig anzupassen und je nach Beanspruchung hart oder weich zu sein. Bei richtigem Timing (z.B. bei Sprüngen) kann es sogar als Feder wirken, wobei die Muskeln selbst kaum noch kontrahieren und die Bewegung fast nur noch aus der Schwingung der Faszien kommt.

Aber auch bei der allgemeinen Körperhaltung wirken die Faszien formgebend und lassen sich nur langfristig neu strukturieren – denn trotz seiner hohen Elastizität bei Beanspruchung kehrt das Bindegewebe auch immer wieder zurück zu seiner ursprünglichen Form. Eine neue Position muss ihm regelrecht „antrainiert“ werden, z.B. durch physiotherapeutische Eingriffe wie beim „Rolfing“ (entwickelt von Ida Rolf) oder bei der Osteopathie.

Ein wichtiger Begriff, der im Zusammenhang mit den Faszien auch immer wieder angesprochen wurde, war „Tensegrity“ – eine Verbindung aus den beiden englischen Worten „tension“ (Spannung) und „integrity“ (Integrität). Dieser Begriff, auch aus der Architektur bekannt, beschreibt die Vernetzung von kompressionsstabilen Elementen, die miteinander durch ein elastisches Zugspannungsnetzwerk verbunden sind. Wird ein Element bewegt, werden alle anderen beeinflusst. Dieses Modell wurde auf den menschlichen Körper übertragen, bei dem die stabilen Knochen durch das elastische Fasziennetzwerk verbunden werden. Aber auch auf das gesamte Berufsfeld Tanz und Tanzmedizin kann das Bild des Netzwerks bezogen werden: In einigen Vorträgen sowie in einer Plenumsdiskussion ging es um die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Tänzerinnen und Tänzern durch die Bildung von Netzwerken zwischen Tanzkompanien, Ärzten, Therapeuten, Rehazentren und Krankenkassen. Dabei kristallisierten sich einige Hauptproblematiken heraus: Es muss eine bessere Kommunikation darüber entstehen, was ein verletzter Tänzer für die Rehabilitation benötigt, aber auch wie er Verletzungen vorbeugen kann. Von Kranken- und Unfallkassen werden selten die gesamten Kosten für die Rehabilitation von Tänzern getragen, da der Großteil der Verletzungen durch Überlastung entsteht und daher nicht in die Kategorie des Arbeitsunfalls fällt. Obwohl es schon einige Musterbeispiele solcher Netzwerke gibt, bei denen Kompanien, Ärzte, Therapeuten und Krankenkassen zusammenarbeiten, besteht auf jeden Fall noch weiterer Diskussions- und Verbesserungsbedarf.

Zusammenfassend war der Kongress für mich sehr belebend und informativ. Ich habe viel Neues gelernt, neue Erfahrungen gemacht und ich habe bereits in den letzten Tagen Elemente des Gelernten schon praktisch in meinen Tanzalltag integrieren können. Auch habe ich jetzt neue Ideen, an wen ich mich beim Fall einer Verletzung wenden kann, und habe neue Möglichkeiten der Verletzungsprävention kennengelernt. Der 12. tamed Kongress war meiner Meinung nach sehr gelungen, die Organisation war beeindruckend und die Atmosphäre war sehr motivierend und positiv. Ich würde die zukünftigen tamed-Kongresse allen Tanz- und Medizininteressierten weiterempfehlen.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge