Hrishikesh Pawar
Hrishikesh Pawar

Die Befreiung des Körpers in Indien

Der Choreograf und Tanzpädagoge Hrishikesh Pawar hat an der Palucca Hochschule für Tanz in Dresden studiert und belebt den indischen Tanz mit zeitgenössischen Konzepten

München, 27/06/2012

Pune, achtgrößte Stadt Indiens, 130 Kilometer südöstlich von Mumbai gelegen, war schon immer die Kultur- und Bildungsmetropole des indischen Bundesstaats Maharashtra. Seit Jahren boomt Punes Wirtschaft. Deutsche Unternehmen wie ThyssenKrupp, Volkswagen, Liebherr, Daimler oder Siemens investieren hier Milliarden. Revolutionär entwickelt sich hier die Wirtschaft. Parallel revolutioniert ein junger Enthusiast die Tanzszene seiner Heimatstadt.

Hrishikesh Pawar, 1983 in Pune geboren, entdeckte früh den Tanz als Ausdrucksform, studierte Kathak bei der legendären indischen Kathak-Meisterin Rohini Bhate. Seine künstlerischen Wurzeln hat er nie verleugnet, aber seine Neugierde nach anderen Tanzformen war groß. So reiste er 2004 nach Berlin und nahm an einem Kurs des Deutschen Instituts für Improvisation teil. Auf der Ostseeinsel Hiddensee erlebte er die Tanzwoche der Palucca Schule. Ein reger Austausch entwickelte sich und Hrishikesh bewarb sich im Studiengang Tanzpädagogik der Dresdner Hochschule für Tanz, wo er ab 2005 zwei Semester studierte.
Nie zuvor hat ein Inder in Deutschland an einer Tanzhochschule studiert. Es gibt in Indien keine Ballettausbildung. Die traditionelle indische Tanzkultur war und ist so stark und facettenreich, dass in diesem Teil Asiens nicht einmal zu Kolonialzeiten die klassische europäische Ballettkultur Einzug gehalten hat. Ohne Grundlagen fand sich Hrishikesh plötzlich in Dresden in Schläppchen an der Stange. Er wagte das Experiment und die Palucca Schule gab ihm die Chance. Ein Balletttänzer oder klassischer Pädagoge konnte und wollte Hrishikesh Pawar nicht werden. Doch die facettenreiche Ausbildung der Dresdner Tanzhochschule, in deren Ausbildung ganz in Paluccas Sinne zeitgenössische Tanzformen und Improvisation verankert sind, erweiterte seinen Horizont. Er verglich die Kulturen und lernte, dass es hier und dort darum geht, Geschichten und Emotionen durch Bewegung zu erzählen.

Hrishikesh erkennt zu dieser Zeit, dass es nicht der klassische europäische Tanz ist, den er nach Indien transportieren will. Vielmehr ist es für ihn eine spannende Perspektive, zeitgenössische Ausdrucksformen, die ihm in Europa begegnen, mit seiner Basis zu verknüpfen und weiter zu entwickeln. Mit dieser Erkenntnis geht er 2007 zurück nach Pune und gründet das Center of Contemporary Dance. Mit seinem Konzept erregt er in Indien Aufmerksamkeit, wird doch unter dem Begriff Contemporary in Indien meist nur der Showtanz der Traumfabrik Bollywood verstanden. Aber genau das ist es nicht, was Hrishikesh Pawar in seinem Studio entwickelt. Die Befreiung des Körpers von den Konventionen klassischer Ausdrucksmuster, die in Europa vor 80 Jahren stattgefunden hat, findet in seiner Schule statt. In Indien ist Hrishikesh Pawar damit gefeierter Pionier in Pune.

Seit vier Jahren organisiert Hrishikesh Pawar in Pune das internationale Festival „Prayatna“, immer im April zum Welttag des Tanzes. 2012 war das National Film Archive of India Partner des dreitägigen Festivals und stellte seinen Kinosaal zur Verfügung. Hrishikesh Pawar präsentierte dort in einem Symposium sowohl die indische Tanzgeschichte in Filmausschnitten als auch die Geschichte des westlichen Tanzfilms. Zur Eröffnungsperformance konnte er Astad Deboo gewinnen, einen Künstler der mit seiner außergewöhnlichen Bewegungssprache internationale Bekanntheit erlangt hat. Zur Abschlussveranstaltung im idyllischen Garten des Goethe Instituts gab es klassischen indischen Tanz und neue Choreografien von Hrishikesh Pawar zu sehen, die er in seiner Schule und mit seiner Kompanie erarbeitet hat. Wichtigster Partner des Festivals ist das Goethe Institut geworden. Dessen Direktor Michael Flucht trägt mit seinem Team wesentlich dazu bei, dem Festival ein Podium zu bieten. 

„Es wäre sehr wünschenswert, wenn es gelänge, den Kontakt zwischen den Tänzern und Experten auf deutscher Seite und auf indischer Seite zu verstärken“, sagt Michael Flucht. Ziel ist es, zeitgenössischen Kompagnien aus aller Welt nach Pune zu holen. Hrishikesh Pawar möchte sein Festival zu einer Plattform für den Zeitgenössischen Tanz in Indien ausbauen.
Mit seinen Ideen und mit seiner Schule ist er auf einem guten Weg. Seine Tanzprojekte, Projekte mit Straßenkindern und Parkinson-Patienten, sind in Indien einzigartig. „Ganz wichtig ist für mich und meine Projekte der Dialog mit der Tanzszene in Deutschland und anderen Ländern. Wir haben hier ein großes kreatives Potential, aber mit dem zeitgenössischen Tanz betreten wir Neuland. Ich möchte meinen Studenten möglichst viele Anregungen durch Austausch bieten. Ich bin überzeugt, dass auf diese Weise in Indien spannende neue Formen des Zeitgenössischen Tanzes entstehen können“, resümiert Hrishikesh Pawar und lädt zu Kooperationen ein.

Die Webseite der Schule: www.hrishikeshpawar.com

 

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