„Je pense comme une fille enlève sa robe“ von Perrine Valli.
„Je pense comme une fille enlève sa robe“ von Perrine Valli.

Zwei Frauen und jede Menge Männer aus Papier

„Je pense comme une fille enlève sa robe“ von Perrine Valli beim Tanz im August

Berlin, 17/08/2011

Perrine Valli aus Genf beschäftigt sich in einem Duo mit Jennifer Bonn mit weiblicher Prostitution. Sie entwickelt ihr Stück in einem schwarzen Raum. Ein Tisch, zunächst gänzlich schwarz, am Ende, wenn er von vielen Klebestreifen befreit ist, hat er eine klinisch weiße Fläche. Der Tisch ist Möbel, Arbeitsfläche und bietet kaum geschützten, aber immerhin, einen Rückzugsort, wenn sich eine Frau darunter befindet. Einmal, ganz brutal, wird er zur Ablagefläche. Ein Darsteller, der einzige in einer minimalen männlichen Nebenrolle, legt darauf eine nackte Frau ab: Nach Gebrauch entsorgt.

Was Perrine Valli von Männern hält, die ihren Service in Anspruch nehmen, macht sie gleich zu Beginn deutlich. Sie schneidet eine Endlosfolge winziger Männlein aus, reduziert auf das Maß eines kleinen Piktogramms, wie man sie weltweit an den Türen der Toiletten findet. Ganz zum Schluss werden die piktogrammierten Männlein in einer witzigen Videoanimation in geordnetem Gänsemarsch scharenweise den nackten Körper der Tänzerin überwandern, sie werden darauf springen und stolpern, sie werden abprallen und herunterfallen, manchmal auch darin verschwinden, verschluckt und vergessen. Die beiden Frauen haben bis dahin manche tänzerische Passage, mal synchron, mal allein, mal gegenläufig, im Raum, am Tisch, darauf und darunter, absolviert. Sie haben sich mal langsam, mal rasch entkleidet, sie haben sich wieder angezogen und wieder ausgezogen. Sie haben die Füße in die unvermeidlichen Folterwerkzeuge mit den mörderischen hohen Absätzen gezwängt und sind dabei in die weit geöffnete Klischeekiste gehumpelt, wenn sie sich nur mit einem Schuh an einem Bein fortbewegen.

Das Stöckeln will gelernt sein, da hat ganz offensichtlich die Probenzeit nicht ausgereicht. Klebestreifen spielen eine große Rolle in dem einstündigen Stück. Immer wieder werden sie wie in einem Ritual vom schwarzen Bühnenboden gezogen, darunter sind dann jene gestrichelten weißen Linien, die den schwarzen Asphalt der großen Städte in geordnete Verkehrspuren teilen. Die beiden Frauen werden je eine solche Symbolik aus Strichen auf ihrer Haut anbringen. Dann schließen sie mit ihren nackten Körpern die Linien der Verkehrsregelung, sie geben sich auf, sie verschmelzen mit der Straße, deren Geräusche in der Soundcollage von Jennifer Bonn anklingen. Sie hastet auch einen eigenen Text zur sichtbaren Darstellung per Mikrofon in den Raum, verstärkt dabei ihre Atemgeräusche als Assoziation zur einschlägigen Arbeitsmusik am sexuellen Fließband. Diese Produktion überzeugt in ihrer Ernsthaftigkeit, in der Annäherung an eine Thematik, die oft der Würdelosigkeit preisgegeben wird. Tänzerisch eher zurückhaltend gelingt es den beiden Darstellerinnen aber doch, Bilder und Situationen tief empfundener Einsamkeit zu assoziieren.

www.tanzimaugust.de
www.perrinevalli.fr

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