Némo Flouret: „Derniers Feux“

Némo Flouret: „Derniers Feux“

Zum Start ein Feuerwerk

Tanz im August eröffnet mit der deutschen Erstaufführung von Némo Flouret „Derniers Feux“

Anatomie eines Feuerwerks oder wie man einen rastlosen Energierausch in Zeitlupe entzündet.

Berlin, 14/08/2025

Es ist eine einsame Trompete, die das Festival Tanz im August im HAU 1 eröffnet. Keine Reden, keine Lobpreisungen, aber auch keine Unmutsbekundungen gegenüber den Berliner Kulturpolitiker*innen. Sondern eine einsame Trompete und ein blinkendes rotes Licht auf einem zweigeschossigen Stahlungetüm. Die Trompete schmiert in den Tönen immer wieder ab und bläst doch unerbittlich und einsam an gegen den Wind aus den Boxen, indem manchmal auch Hundegebell zu hören ist. Doch dann kommt es zur Explosion.

Rastlose Kaskaden

Das meint nicht nur die Feuerwerke, die am Stahlgerüst abgebrannt werden, sondern Némo Flouret lässt jetzt eine Stunde lang eine kakophonische Gesamtchoreografie aus Trommeln, Musik, Tanz und waghalsigen Objekten auf das Publikum losbrechen. Er untersucht in „Derniers Feux“, das im Juli seine Weltpremiere in Avignon hatte und von Tanz im August koproduziert wurde, das Moment des Feuerwerks. Dazu zerlegt er es assoziativ in seine Bestandteile, dehnt die Explosion ins Unermessliche und lässt seine 11 Performer*innen rastlos über die Bühne eilen. Das erinnert an Miet Warlops „One Song“

In diesen Kaskaden tanzen etwa drei Leute vorne, während andere Pappen und Buchstaben durch den Raum tragen, eine Frau mit Megafon scheinbar Anweisungen brüllt und über allem der stumpfe Beat einer Trommel und das Rauschen riesiger Ventilatoren liegt. Doch mit unmerklichen Verschiebungen der Register in den Wiederholungen ergeben sich neue Bilder, die dann sukzessive die anderen ablösen und bereits benutzte Elemente neu kombinieren. Da werden etwa sechs Meter lange Stangen durch die Gegend getragen, an denen dann später bunter Pullover befestigt werden, die in einer weiteren Runde bedrohlich wie Gespenster über den Köpfen des Publikums schweben. Später tragen die Performenden diese Pullover anstatt ihrer weißen und schwarzen Kleidung: Das bunte Feuerwerk explodiert.

Kleine Verschiebungen, große Effekte

Der Abend strotzt von solchen Verschiebungen und zugleich auch mitunter absurden Situationen, wenn etwa die Trommel in die zweite Ebene des Stahlgerüsts wandert und nebenbei ein Trommler*innenwechsel stattfindet. Dort formiert dann sogar eine Band mit Gitarre, Pauke und Melodicas bis zur finalen Textzeile: „There’s nothing more to sing about.“ Die dunkle Pauke löst dann auch die kleine Trommel als Taktgeber ab, und schließlich sorgen Knallerbsen für den rhythmisierenden Effekt.

So entpuppt sich „Derniers Feux“ als rastloser Energierausch, ein Zeitlupenmoment ohne Zeitlupe, eine Überschussproduktion ohne Gleichen. Keine Rücksicht auf Sentimentalitäten, keine verkorkst moralische Politisierung, sondern einfach eine choreografische Feier der Körper, der Objekte, der Musik und der Bilder. Ein erfrischender lauter Start ins Festival, der die Lust am Tanz ganz klar in den Vordergrund stellt.

 

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