147 cm Körpergröße, 47 Jahre Lebenszeit, das Ganze hoch 47 für die Summe der Kunst

Mit „La vie en rose“ beschwört Mauro Bigonzetti den Mythos Edith Piaf

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Hannover, 02/12/2011

Eine Freitags-Abo-Vorstellung im Opernhaus von Hannover ein halbes Jahr nach der enthusiastisch gefeierten Uraufführung von Mauro Bigonzettis Ballett „La Piaf“ – ein etwa zu einem Drittel gefüllter Zuschauerraum mit überwiegend Angehörigen der fünfziger und sechziger Generation, kaum Szenenbeifall, dafür umso länger anhaltender Finalapplaus: Stuttgart, du hast es besser – ballettengagierter! Denn ein Ballett wie dieses würde in der Schwabenmetropole vom Publikum gestürmt.

Denn es ist eindeutig Bigonzettis bestes Ballett – seit seinem deutschen Debüt mit „Kazimir‘s Colours“ anno 1996 in Stuttgart. Nicht viele sind ihm seither gefolgt in Stuttgart, Berlin, Dortmund, München und Baden nebst tutti quanti, denn Bigonzetti als Deutschlands bevorzugter ausländischer Gastchoreograf – und „La Piaf“ ist sein Meisterwerk: ein choreografisches Poem, ganz in Rosen gebettet, in der Nachfolge von „Le Spectre de la rose“ vor hundert Jahren bei Diaghilew. Es bringt mit seiner Musikauswahl von Fauré, Massenet, Milhaud Poulenc, Ravel sowie Satie – nebst Piaf natürlich, so viel Erinnerungen zurück, an die Nachkriegsjahre mit der Rückkehr von Yvonne Georgi mit ihrem Faible für französische Komponisten und das Hannoveraner Ballettexil im Ballhof, aber auch an die Folkwang-Tradition von Kurt Jooss mit seiner „Großstadt“ von 1932 und all den Georgi-Nachfolger von Adama über Höfgen, Thoss, bis zu Pina Bausch und ihren Stafetten-Polonaisenreihen, die Bigonzetti so liebevoll zitiert mit seinen zweimal zwölf Tänzern (wenn ich mich nicht verzählt habe).

Mit einer musikalischen Sensibilität und Souveränität sondergleichen durchmisst Bigonzetti den ganzen Kosmos des zeitgenössischen Bewegungsvokabulars, ausgehend von der Danse d´école über den Modern Dance, den Gesellschafts- und den Tourniertanz, den Musicaltanz samt Artistik bis zu den Hip-Hop-Formen des heutigen Street Dances. Und das alles verklärt in seiner Hommage an die Piaf als Inkarnation des französischen Chansons und seiner Huldigung an das Leben und die Liebe in all ihren Höhen und Tiefen. Und die Hannoveraner tanzen das mit einer Bravour (und so fabelhaft synchron), dass einem ganz warm ums Herz wird und man sich zusammennehmen muss, nicht mit den Füßen dazu zu tappen.

Und was als Nächstes, Signor Bigonzetti, der zu einem so versierten Porträtisten der Genies der europäischen Kulturgeschichte zwischen Bach, Mozart, Rossini und Caravaggio geworden ist? Wie wär‘s denn mit „Casta diva“ alias Maria Callas – aber auch ein Bigonzetti-Ballett über d‘Annunzio und die Duse könnte ich mir gut vorstellen!

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