Und Sarrazin hat doch recht

Gauthier Dance präsentiert „Out of the Box II“ im Theaterhaus

oe
Stuttgart, 18/12/2010

Die tänzerische Luftverschmutzung Stuttgarts nimmt nachgerade beängstigende Formen an! Tänzer, die, woher sie auch immer kommen, nach Stuttgart engagiert werden, entdecken hier unweigerlich ihr choreografisches Gen. Der neue Abend „Out of the Box II“ der Gauthier Dance Company im Theaterhaus auf den Pragsattel beweist es: neun Stücke, in denen, inklusive Chef, zehn Tänzer beschäftigt sind, stammen von fünf Choreografen, die alle Kompaniemitglieder sind. So mausert sich die kleine Gauthier-Truppe der tänzerischen Exzellenzen zum Pragsattel-Pendant der Noverre-Gesellschaft drunten im Tal.

So verschieden die Physiognomien, so unterschiedlich auch in der Qualität sind die einzelnen Beiträge. Und wie Cranko zu seiner Zeit der choreografische Inspirator der Noverre-Matineen war, so ist es im Hause Schretzmeier unser Mann aus Kanada. Und offenbar auch ebenso vielseitig. Denn genau wie Cranko ein Mann für alle Genres war, so ist es Gauthier heute: gut genug für einen Kracher, der auf jede Schlagzeug-Pointe einen Bewegungsakzent setzt; der einen Klassiker wie „Carmen“ auf die choreografische Schippe nimmt, und der wie Cranko anno 1958 in „Présence“ zur Eroberung extraterrestrischer Dimensionen ansetzte, so tut es heute Gauthier in „Threesome 3D“ (aktueller Bezug zum neuesten Tom-Tykwer-Film?), wenn er uns im Zusammenwirken mit dem Experimental-Filmer Niko Vialkowitsch dazu zwingt, eine überdimensionale 3-D-Brille auf die Nase zu setzen, um bei dem erotischen Gerangel seiner drei Tänzer möglichst nahe dran, ja geradezu involviert zu sein.

Kein Mangel an Abwechslung also im neuesten Programm der Gauthier-Miniequipe, die weiß, was sie ihrem Namensgeber schuldig ist. Und so dürfen wir den Final-Titel „Dear John“, die liebevolle Hommage via Egon Madsen, als letztes tänzerisches Bindeglied zu Cranko (oder sagen wir besser vorletztes, denn Marcia Haydée hat ihr Comeback für die Wiederaufnahme der Bigonzettischen „I Fratelli“ bereits angekündigt), mit ihren vielen „Jeu de cartes“-Zitaten, erweitern um ein „Dear Eric“. Es scheint also doch etwas dran zu sein, an der Sarrazinschen These von den Genen!

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