Mein Kampnagel Sommerfestival 2010

Ein Blog von Bettina Preuschoff

Hamburg, 13/08/2010

Kinder wie die Zeit vergeht, das war doch erst gestern als ich das letzte Mal vom Sommerfestival gebloggt habe, oder? Das sind die Gedanken, die mir durch den Kopf schießen, als ich bei strömendem Regen, als bekennende Regenschirmhasserin, unter einem solchen zur U-Bahn hechte (stilecht unter einem „Glamour-Regenschirm“ aus einer vergangenen Produktion der Tanzinitiative Hamburg).

Der Auftakt des diesjährigen Festivals findet in den Deichtorhallen statt, denn dort steht das WHITE BOUNCY CASTLE von William Forsythe und Dana Caspersen. Nach Stationen u.a. in London, Wien - und kürzlich in meiner alten Heimat Montpellier – dürfen jetzt die Hamburger nach Herzenslust hüpfen und toben.

Schon während des Senatsempfangs streifen viele ihre Schuhe ab und postieren sich taktisch günstig an einem der beiden Eingänge ins weiße Hüpfschloss. Ich bekenne: auch ich gehörte zu dieser latent bewegungshungrigen und neugierigen Truppe, die sehnsüchtig auf den Startschuss warten. Der Festivalleiter Matthias von Hartz (der in seiner Rede klare Worte zur aktuellen Kulturpolitik in Hamburg findet – Chapeau!) eröffnete gemeinsam mit seinem dreijährigen Sohn und seinem 73-jährigen Vater die Hüpfsaison des WHITE BOUNCY CASTLE in Hamburg!

Und dann dürfen wir auch rein in die weiße Hüpfburg!!! Um die (angebliche) hanseatische Zurückhaltung ist es schnell geschehen – es ist ein wunderbares Tohuwabohu – bestrumpft oder auch barfuß springen Männlein und Weiblein aller Altersklassen lachend durch die Installation – kleinere Zusammenstöße und „Unfälle“ werden humorvoll hingenommen, man fällt ja auch einfach zu weich! Ich werde garantiert in den nächsten Tagen noch mal hüpfen gehen – versprochen!

Außer Atem, etwas verschwitzt – aber äußerst gut gelaunt – fahre ich mit meinen zwei Begleiterinnen zum Hauptveranstaltungsort Kampnagel. Passend zum diesjährigen Thema „Wasser“ ist der Außenbereich mit kleinen gepressten, knallblauen Glasstückchen ausgelegt. Ich beschließe die nächsten Festivaltage auf rustikaleres Schuhwerk umzusteigen – meine „Mädchenschuhe“ erweisen sich an diesem Abend als etwas unpraktisch im Glassalat – aber es sieht schick aus! Die „Feenbar“ vom letzten Jahr ist auch wieder aufgebaut und ein Springbrunnen plätschert fröhlich vor sich hin. Auf dem Festivalgelände befinden Klanginstallationen zum Festivalthema Wasser und das schafft eine interessante Grundatmosphäre. Wir schlendern an der Bar vorbei, gönnen uns ein Gläschen Wein, holen uns was zum Essen – leider ein Fehlgriff wie es sich herausstellt. Schade!

Was soll's, wir sind ja auch in erster Linie hier, um unseren kulturellen Hunger zu stillen und so strebe ich in Richtung K6, und nach einem kurze Zwischenstopp in der Installation von Bill Viola geht es auch schon los. Die K6 ist bereits in rotes, rauchiges Licht getaucht: Hofesh Shechters „Political Mother“ steht für mich heute auf dem Programm. Kontroverse Meinungen habe ich im Vorfeld aus meinem näheren Umfeld vernommen und das ist – wie ich finde - ja immer auch eine gute Grundvoraussetzung für einen spannenden Abend! Insgesamt 15 Akteure hat Hofesh Shechter für dieses Projekt auf der Bühne versammelt, darunter zehn hervorragende Tänzer, die in diesem – oft von Industrial Music geprägten – Ambiente an ihre Grenzen gehen dürfen.

Eine düstere Stimmung, in der die Tänzer – trotz gemeinsam getanzter Sequenzen – immer für sich zu kämpfen scheinen, in der sich Begegnungen/Duos schnell wieder auflösen, der Blick sich immer wieder zum Boden richtet, während die Arme den Himmel zu suchen scheinen. Es wird immer wieder verdammt laut – auch hier ein Austesten der möglichen Grenzen. (Es gab am Eingang übrigens auch Ohrstöpsel!) Die Gegensätze der rituell anmutenden, ekstatischen Tänze zur lärmenden, treibenden live und lautstark gespielten Gitarren- und Percussiondröhnung und die des gleichen Bewegungsduktus zu einer kitschig anmutenden Musik am Schluss könnten fast nicht größer sein.

Hofesh Shechter provoziert mit Genuss – inszeniert den mit düster verzerrter Stimme singenden Sänger in der Mitte zwischen den Gitarristen stehend - wie einen Diktator, steckt die Trommler in militärisch wirkende Fantasieuniformen und lässt die Tänzer dem Fankult huldigend zum Spektakel hochschauen.

Für das buntgemischte Publikum am ersten Festivalabend endet die Vorstellung sicherlich mit einem großen Fragezeichen im Gesicht. Ich verlasse das Festivalgelände nachdenklich aber entspannt und freue mich auf den morgigen Abend mit Jerôme Bel!


17.8.2010
Ja, weiter geht es mit Jerome Bel, der seine Reihe fortführt, in der er Tänzerpersönlichkeiten auf die Bühne bringt, die ihre eigene Biografie erzählen/vertanzen. In der jüngsten Produktion führt uns der französische Tänzer Cédric Andrieux durch sein „bewegtes“ Leben. Er erzählt, wie er durch seine Mutter zum zeitgenössischen Tanz kommt und seine Lehrer der Meinung sind, dass aus ihm niemals ein Tänzer werden würde – der Tanz aber sicherlich gut für seine persönliche Entwicklung wäre.

Weit gefehlt, führt ihn sein Weg doch direkt auf eine der Eliteschulen, das Conservatoire national supérieur de musique et de danse de Paris, Frankreichs. Die anschließende Karriere ist ebenso eindrucksvoll, denn nach dem Studium geht es direkt nach New York und dort tanzt Andrieux in der Kompanie von Jennifer Muller und wechselt schließlich in die legendäre Cunningham-Company um nach acht Jahren an die Oper von Lyon zu gehen. Und doch tauchen sie immer wieder auf, die Zweifel, die Unzufriedenheit, das Hadern mit dem eigenen Körper.

Es ist beeindruckend wie ehrlich und ungekünstelt er aus dieser Zeit berichtet und diese immer wieder mit tänzerischen Auszügen belegt. So erfährt der Zuschauer auch wie Merce Cunningham seine Stücke entwickelte und dass ein schmerzender Körper als Normalzustand zu werten ist, dass das immer wieder gleiche morgendliche Training wirklich langweilig sein kann und Andrieux dabei gerne mal den Blick aus dem Fenster nach New Jersey schweifen ließ.

Der Zuschauer wird in seinen Bann gezogen – denn dieses fein gesponnene Stück dockt an den eigenen Gefühlen an und betört durch seine Ehrlichkeit! Ich gehe völlig beseelt aus dem Saal, erinnert mich dieses Stück doch sehr an meine eigene Tanzbiografie, die ja auch in Frankreich und New York stattfand und so warte ich auf den Künstler, um mich persönlich bei ihm für diese wunderschöne Reise zu bedanken.

Es ist schön danach über das Gelände zu flanieren, vorbei an den Tangotänzern setzen wir uns in den „Beichtstuhl“, erfreuen uns an der Sonnenblumenplantage und amüsieren uns über die kindliche Freude der Menschen in den Riesenschaukeln und beschließen den Abend mit einem Getränk lächelnd und gut gelaunt an der Feenbar!


24.8.2010
Nach einem kurzen Zwischenstopp am Montag in das Konzert von Ulver – das ich nach 10 Minuten genervt wieder verlasse – geht es am Donnerstag in die Vorstellung von Robyn Orlin mit dem langen Titel „...ALTHOUGH I LIVE INSIDE...MY HAIR WILL ALWAYS REACH TOWARDS THE SUN...“.
Vor 10 Jahren hat mich die Choreografin aus Südafrika auf dem Tanzfestival von Montpellier schwer begeistert und so betrete ich mit einer gewissen Erwartungshaltung die K1.

Wir dürfen unsere Plätze frei wählen und das überfordert schon so einige Zuschauer: nach einem kleinen Wortgefecht in der ersten Reihe beginnt die Soloperformance – genial umgesetzt von Sophiatou Kossoko.Sie entert die Bühne in einem goldenen Trikot und goldenen hochhackigen Sandalen durch eine schwergängige Tür, eine zweifarbig gemusterte Teekanne in der Hand, die sie auf dem vorderen Teil der Bühne platziert.

Und so geht es weiter – im Sturmschritt, Tür auf, Tür zu – bis alle Kannen in Reih und Glied auf dem vorderen Bühnenraum ihren Platz gefunden haben und wir amüsieren uns mit einem kleinen Ratespiel: „Welche Farbkombination hat die nächste Teekanne?“ Sie hievt noch mehrere knallpinke Kinderplanschbecken auf die Bühne, dabei erzählt sie uns - empört und energiegeladen, auf französisch und englisch - dass sie doch eine zeitgenössische Tänzerin, eine Künstlerin sei und dass das doch unmöglich wäre, was diese Choreografin von ihr verlangen würde. Anschließend fordert sie das geneigte Publikum auf die Plätze zu verlassen und sich auf die Bühne zu begeben. (Womit die Frage der freien Platzwahl auch geregelt wäre, überlegen wir uns grinsend.) Als das Publikum – also wir - nicht sofort reagiert und sich auch nach weiteren verbale Frontalattacken sich wenig bewegt, turnt sie derart frech durch die Zuschauerreihen, dass so manche Zuschauer –auch wir- dann doch die Flucht ergreifen und es uns auf der Bühne bequem machen.

Und da sitzen wir nun, mit einer völlig neuen Perspektive auf das Spektakel.
Eine Art Happening entsteht, erstaunte aber auch piquierte Blicke fange ich auf, aber ich blicke auch immer wieder in lachende und fröhliche Gesichter - der sonst übliche Theaterraum, die Guckkastenbühne ist aufgelöst. Und jetzt geht der Spaß so richtig los! Sophiatou Kossoko schnappt sich eine Zuschauerin – sie muss sich erstmal die Füße in den mit Wasser gefüllten Planschbecken mit Hilfe einer der Teekannen waschen und wird dann zum Tanz auf der Bühne eingeladen. Es dauert eine Weile bis sich die nächste Zuschauerin auf die Bühne traut – aber das Eis bricht und die Bühne füllt sich zunehmend.

Mittendrin die geniale Darstellerin Sophiatou Kossoko – die wie eine Mischung aus Showgirl und Domina agierend immer wieder neuen Schwung in die tanzende Menge bringt. Stilecht bilden die Akteure eine Kette und verbeugen sich gemeinsam zum Schlussapplaus.

Spannend finde ich die erneute Fragestellung des Interpreten über seine Rolle als Akteur und sein Verhältnis zum Choreografen. Hier wurde – im Gegensatz zur vorangegangenen Performance von Jerome Bel - diese Thematik slapstikhaft und überspitzt vorgenommen, aber es scheint momentan ein großes Bedürfnis zu geben dieses Thema auf die Bühne zu bringen. Für meine Begleiterin, eine begeisterte Sprechtheatergängerin, war dieses Stück ein toller Einstieg und auch ich mochte die Auflösung des sonst Üblichen, die Idee die Zuschauer zum Agieren zu bringen und ins Geschehen einzubeziehen.

Die K1 verlassen wir an diesem Abend auf jeden Fall vergnügt und positiv gestimmt – noch ein Bier auf dem wunderschön beleuchteten Gelände, ein kleiner Rundgang an den ausgestellten Objekten vorbei und wir verlassen Kampnagel für diesen Abend.


27.8.2010
Ich bin gerade dabei die Woche von mir abzuschütteln, als ich online lese, dass Christof Schlingensief gestorben ist. Sofort schießen mir die Bilder des Sommerfestivals 2009 in den Kopf: Es ist für mich der letzte Abend auf dem Festival und beim Schlendern über das Außengelände sehe ich von weitem Christof Schlingensief an einem der Tische sitzen und nach der Vorstellung beschließe ich gemeinsam mit Irmela Kästner noch mal seine Installation zu besuchen – eine Art Ritual in diesen Festivaltagen. Auf der Drehbühne stoßen wir dann auf den Meister – er sitzt auf dem Sofa und lässt sich von zwei Damen vom NDR interviewen – begleitet vom Festivaldirektor Matthias von Hartz und einigen begeisterten Anhängern fahren wir Runde um Runde, beobachten, hören zu und sind hin und weg von seiner Ausstrahlung, seiner Begeisterung und seiner feinen Zugewandtheit die er den beiden Journalistinnen entgegenbringt.

Diese Bilder schwingen mit, als ich an diesem Abend das Festivalgelände entere. Während ich auf meinen Begleiter dieses Abends - Torsten Kollmer, ein vielseitig arbeitender Fotograf - warte, läuft die Generalprobe von lLABOFII, London, die zu einer Radtour der besonderen Art einladen. Merkwürdig summende Radler ziehen ihre Runden auf dem Gelände und wir können nicht anders, wir bleiben grinsend stehen. (Leider regnet es am nächsten Abend und so beschließe ich doch nicht teilzunehmen. Ich bin einfach schon zu oft nass geworden in dieser Woche!) Durch das Gewühl der summenden Radfahrer erblicke ich Torsten und freue mich auf einen gemeinsamen Abend mit ihm bei Philippe Quesne und bin gespannt was er als Fotograf von der bildreichen Sprache des französischen Multitalents halten wird.Zunächst steht aber erstmal der allabendliche Bummel auf der grellblauen Flaniermeile an, wir genießen die Atmosphäre im Sonnenblumengarten, beobachten das Treiben auf dem Tanzboden und mein Begleiter schießt ein paar Fotos.

Auf einmal ist es schon fast 21 Uhr, also zack-zack ab in die K6, wo uns ein ungewöhnlich kleiner, weißer Bühnenraum erwartet. Jetzt bin ich erstaunt, lebte doch die letztjährige Produktion gerade von opulenten Raumkonzepten und jetzt das – ein halbierter Bühnenraum. Den betreten die Akteure nach und nach sitzen an einem Tisch, lesen, hören Musik, verschwinden wieder und räumen alles wieder ab. Der Raum – nun fast leer – nur rechts vorne ein großes mit weißer Plane abgedecktes Objekt – in der Pressemappe lese ich, dass Philippe Quesne gerne Objekte aus vorangegangenen Stücken zitiert und so äußere ich die Vermutung, dass doch da am Ende das Auto vom letzten Jahr drunter liegen könne! Bingo!!! Unter der Plane verbirgt sich – auf dem Kopf stehend - der alte Citroen aus „LA MÉLANCOLIE DES DRAGONS“. Ich sehe sie wieder vor mir, die Hardrock-Jungs mit den langen Haaren – biertrinkend und rauchend im Auto sitzend in der schneebedeckten Landschaft. Der Blick auf das Auto ist ein wenig wie alte Freunde wieder zu treffen, die man aus den Augen verloren hat.

Die nun folgenden 75 Minuten vergehen wie im Flug, 75 Minuten, in denen man sich immer wieder fragt: Was machen die da eigentlich und warum? Da kriechen die Akteure komplett bedeckt von braunen und weißen Felldecken über die Bühne, einer stellt eine Aufgabe und die anderen folgen. Dann werden auf einmal Schlauchboote verschiedenster Größe auf die Bühne gezerrt und als der Bühnenraum dann doch geöffnet und vergrößert wird, dümpelt dann eines auf dem dort befindlichen See.

Der ganze Abend wirkt immer wieder wie ein großes Labor, in dem Möglichkeiten gemeinsam ausprobiert werden. Durch dieses völlig unprätentiöse Vorgehen entstehen immer wieder eigentümlich betörende Bilder, Bilder, die einen in eine skurrile Fantasiewelt entführen, in der Figuren vom Urmenschen bis zum Astronauten ihren Platz finden.

Es ist wie in einer utopischen Fotostory mit immerwährender Fortsetzung.
Fortsetzung findet diese Story dann auch schon auf dem Festivalgelände als wir beobachten wie die Akteure sich gegenseitig auf dem Surfbrett der Welle (einer aus Plastiktüten gefertigten Installation) fotografieren. Eine Festivalbesucherin fragt beeindruckt auf Englisch, ob der auf dem Surfbrett stehende Akteur der Künstler wäre, der diese Installation geschaffen habe – er antwortet ungerührt ebenfalls auf Englisch: Yes! Wir lassen die Dame in diesem Glauben und amüsieren uns köstlich.


27.8.2010
Ein weiterer Höhepunkt für mich – auch wenn es keine Tanzvorstellung war: anbb feat. Blixa Bargeld und Alva Noto. Es ist doch immer wieder ein beruhigendes Gefühl zu spüren, dass man gemeinsam mit den Idolen seiner Jugend (gut) altert. In den 80ern – unsere Seele brannte und die Einstürzenden Neubauten waren der Soundtrack für unser Lebensgefühl und zu gleichnamigem Song erlebte ich das erste Mal so richtig die Macht der getanzten Improvisation, erlebte ich 1987 ein legendäres Neubauten-Konzert in Frankfurt. Einige Jahre später – es dürfte 1994 gewesen sein - dann wieder Blixa Bargeld, dieses Mal als Mitglied von Nick Cave and the Bad Seeds, umjubelt und unvergesslich und nun also auf dem Sommerfestival auf Kampnagel. Warum gibt es denn nur keine männliche Form von Diva? Diesen Begriff müsste man für Blixa erfinden – selbstverständlich im positiven Sinne!

Ich genieße den Brachiallyriker mit dem rauen und motzigen Berliner Timbre in der Stimme. Auch 2010 in dieser Minimalbesetzung aus Stimme und Technik (die erstmal verrückt spielt und den Meister motzig werden lässt) durchdringt er den Raum und nimmt einen mit in die wunderbare Welt des Unbewussten. Beglückt radele ich nachts bei Vollmond und Sturm an der Außenalster vorbei – welch eine Kulisse nach einem derart gelungenen Abend!


Heute dann der für mich letzte Festivalabend. Alain Platel | Les Ballets C de la B: „Out of context - For Pina!“ Es ist wohl mittlerweile zehn Jahre her, dass ich zum letzten Mal ein Stück von Alain Platel gesehen habe, überlege ich, als ich Platz nehme in der ausverkauften K6.

Die Tänzer betreten einer nach dem anderen aus dem Zuschauerraum kommend die Bühne, entledigen sich ihrer Alltagskleidung – bis auf die Unterwäsche - und legen diese am hinteren Bühnenende ab. Fragil und doch so präsent und stark wirken die Ausnahmeinterpreten von Platel und führen uns in den folgenden 85 Minuten in eine Welt voller Abgründe und Untiefen.
Tragisch komisch wird es zuweilen, wenn sich die Akteure annähern, „abchecken“, berühren und beriechen, wenn sie wie Kleinkinder Grimassen schneidend auf ihren roten Decken herumrollen, die neben zwei Mikrofonständern die einzigen Objekte auf der spartanisch schwarzen Bühne sind. Auch die Karaoke-Show à la Platel, in der die Interpreten kurze Phrasen bekannter Kommerzstücke auf einen hämmernden Elektorsound singen, bringen kurze Momente der Leichtigkeit, lassen einen kurzes Aufatmen zu, ein Aufatmen, das nie lange anhalten kann. Zu durchdringend ist doch der „out of space“-Zustand der Akteure.

„Wann immer auch Worte nicht mehr in der Lage sind, unsere tiefsten Gefühle auszudrücken, übernimmt unser Körper. Denn das ist der Tanz wohl schon seit Anbeginn: eine physische Übersetzung extremer Gefühle.“ (Alain Platel) Eigentlich ist damit alles gesagt.

Ein letztes Mal geht es für mich heute Abend über das lieb gewonnene Festivalgelände – es heißt Abschied nehmen. Danke, es war so schön!

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