11. Kongress für Tanzmedizin 2010 in Frankfurt – Teil IV

Leistungsdiagnostik bei professionellen Bühnentänzern Vortrag von Frau Dr. med. Elisabeth Exner-Grave, Fachärztin für Orthopädie, Chirotherapie, Sport- und Sozialmedizin

Frankfurt, 31/05/2010

Frau Dr. med. Elisabeth Exner-Grave, Fachärztin für Orthopädie, erwarb sich ihr Tanzwissen durch ein Tanzstudium an der Folkwang Hochschule in Essen und gehört zu den tamed-Gründungsmitgliedern. Heute arbeitet die Ärztin als orthopädische Oberärztin im Reha- und Trainingszentrum medicos. Auf Schalke in Gelsenkirchen, das seit Juni 2009 auch Sitz des Kompetenzzentrums TanzMedizin ist. Diese bundesweit einmalige Institution ermöglicht die tanzspezifische Prävention und Rehabilitation von Tänzern und Tänzerinnen nach Arbeitsunfällen. Auf Basis ihrer fachlichen Qualifikationen und Erfahrungen erhielt Frau Dr. Exner-Grave, eingeleitet durch eine Initiative des Kompetenzzentrums TanzMedizin, von der Unfallkasse NRW im August 2009 den Auftrag für ein tanzmedizinisches Präventionsprojekt, das in verschiedenen professionellen Ballettkompagnien in NRW durchgeführt werden soll. Als größtem Ballettensemble in NRW wurde die erste Durchführung des Projektes mit dem Ballett der Deutschen Oper am Rhein (DOR) vereinbart. Von den 47 Tänzern der DOR nahmen 43 Tänzer an der Studie teil; davon 20 Tänzer, die Ballettchef Martin Schläpfer aus Mainz mitgebracht hatte, sowie 23 Tänzer des verbliebenen Ensembles aus der vorherigen Spielzeit. Alle Tänzer besaßen eine durchschnittliche Berufserfahrung von neun Jahren.

Die Untersuchungen von Frau Dr. Exner-Grave begannen in Zusammenarbeit mit der Sportwissenschaftlerin Anne Liening-Ewert mit einem tanzmedizinisch-orthopädischen Check-Up und der Ermittlung der kardiopulmonalen Leistung durch ein Belastungs-EKG auf dem Fahrradergometer unter gleichzeitiger Messung der maximalen Sauerstoffaufnahme VO2max als Kriterium der Ausdauerleistungsfähigkeit. Hier zeigten sich deutliche Unterschiede bei Männern (3,3 l/min) zu Frauen (2,1 l/min), bedingt auch durch den Unterschied des durchschnittlichen Körpergewichtes von 70 gegen 53 kg mit einem jeweiligen BMI von 22,5 und 19,8. In Relation zum Körpergewicht betrug die VO2max bei Männern 47,0, bei Frauen 40,0 ml/kg. Die orthopädischen Untersuchungen und Funktionsmessungen erfolgten mit den Schwerpunkten Wirbelsäule und untere Extremitäten, hier der Beinachsen, der Hüft- und Kniegelenke mit Rotationsfähigkeit der Hüftgelenke und der Tibiatorsion, also des En Dehors, sowie der Beweglichkeit der Sprung- und Fußgelenke. Eine generelle Hypermobilität zeigte sich bei vier Tänzerinnen (=18%) und einem Tänzer (=5%). Die Messung der Sprungkraft ergab bei Männern keine signifikanten Unterschiede zu anderen Profisportlern, wie Hand- oder Fußballern, während bei Frauen durch das geringere Körpergewicht von durchschnittlich 53 kg die entsprechenden Vergleichswerte fehlten.

In der Verletzungsanamnese wurden 37 Verletzungen (=36%) und nahezu doppelt so viele chronische Überlastungsschäden (67 = 64%) registriert. Hier zeigten sich keine geschlechtsspezifischen Differenzen. Insgesamt wurden bei jedem Tänzer durchschnittlich 2,4 Verletzungen bzw. Überlastungsschäden dokumentiert. Bei 10% der Ensemblemitglieder wurden zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit Rehabilitationsmaßnahmen empfohlen.

FAZIT: Tänzer sind Leistungssportler und in allen untersuchten Parametern nahezu auf Augenhöhe mit anderen Profisportlern. Trotz dieser Hochleistungen erhalten sie bislang nicht die Leistungen der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wie andere Profisportler, da sie „nur“ als Künstler wie alle anderen Angestellten eines Theaters versichert sind. Vorstehende Untersuchungen im Präventionsprojekt sollen den Weg ebnen, dass Profitänzer in Zukunft die gleichen Leistungen aus der DGUV erhalten, wie andere Sportprofis.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge