Naturereignis Serrano

„Intuición“ - Flamenco-Weltpremiere im Theaterhaus

Stuttgart, 13/09/2009

Das Stammeln der Füße schwillt an. komplexe Schläge klackern in atemberaubendem Tempo, steigern sich, dank der mit Mikros ausstaffierten Holzplatte, zu einem wahren Trommelfeuer. Kaum sichtbar zittern am Rocksaum des schwarzen Kleides mit roten Punkten die Volants. Maria Serrano braucht keinen Blechtrommler unterm Rock. Mit ihrer turbogetriebenen, präzisen Beinarbeit züchtet sie das Versprechen, bald aus diesem Feuerwerk der Rhythmen einen Flächenbrand nie dagewesener Begeisterung zu entfachen. Dem Erregungszustand von Schlittenhunden, Pferden oder Rennwagen ähnlich, die dem Startschuss entgegenfiebern, generiert die spanische Vollbluttänzerin Hochspannung. Minutenlang auf der Stelle besteht ihre Könnerschaft darin, den Zurufen der Musiker und Aficionados zu trotzen, den wuchtig wallenden Leib zu zügeln und den rauschhaften Ausbruch so lange wie möglich hinauszuzögern. „Ich hab immer drauf gewartet, dass sie irgendwann explodiert“, beschreibt eine Flamencobegeisterte den Ausnahmezustand. Männer reiben sich bei so viel archaischer Frauenpower die Augen.

Die jüngste Produktion „Intuición”, uraufgeführt im Stuttgarter Theaterhaus, hat Maria Serrano gemeinsam mit ihrer 18-jährigen Schwester Alba kreiert. Obgleich die „Königin des Flamenco“ den Abend mit einer Hymne an den Mond, einem lyrischen Solo vor nachtblauem Hintergrund eröffnet, liegt der Schwerpunkt im Dialog der Schwestern. Vor dem Hintergrund der sechs Musiker, allen voran der ausgezeichnete Gitarrist Eduardo Trassiera (neben den jungen Sängern Juan José Navarro und Inma „La Carbonera“ Rivero, Pablo Prada am E-Bass, Andrej Vujicic an der Perkussion und Ismael Perez am Piano) umkreisen sie sich wie Planeten, fordern sich gegenseitig heraus, machen magnetische Felder, Abstoßung und Anziehung spürbar, die ein einziges Mal in einem Zusammenprall kulminiert. Mütterlich rubensrunde Leiblichkeit und unbeschreibliche Bühnenpräsenz der Älteren auf der einen Seite, geschmeidig schlanke Eleganz der Jüngeren auf der anderen, bezieht die sinnliche und intuitive Annäherung der beiden Schwestern an die gemeinsame Liebe, den Flamenco, ihren Reiz durch das Wechselspiel dieser Unterschiede. Perfekt die Dramaturgie aus einer gelungenen Abfolge von Musik- und Tanzstücken, von Duetten und Soli, zu deren unvergesslichen Momenten Albas Tanz mit dem roten Mantón (Schultertuch) sowie die Zugabe am Schluss zählen, bei der die acht Künstler improvisierend den Charme des Flamenco dem Publikum nahe bringen. An der Rampe, mit bewundernswerter Natürlichkeit – stieben die Funken und mitgeklatschte Rhythmen entladen sich in wildem Applaus. „Einfach genial!“ findet die Zuschauerin Marion Reimold aus Echterdingen, hingerissen von soviel Leidenschaft und Feuer.

www.mariaserrano.com

www.theaterhaus.com

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