Meditative Bodenpflege, horizontales Irgendwas und eine kleine, feine Show

Alice Chauchat, Arto Lindsay/Richard Siegal präsentieren neue Arbeiten beim Festival „Tanz im August“

Berlin, 18/08/2009

Das Projekt von Alice Chauchat im Berliner Podewil heißt „Collekive Sensations (Practicable)“. Vorher gibt es mit Frédéric de Carlo & Odile Seitz „The Partners (Practicable)“ und das ist gemäß dem Arbeitsprinzip von Alice Chauchat der Ausschnitt einer längeren Arbeit von Künstlern ihres Kollektivs, und so ein Detail wird immer mit dem folgenden Hauptstück in Beziehung gesetzt. In diesem Falle besser gelegt, denn die beiden Akteure bewegen sich vornehmlich am Boden in verschiedenen liegenden Haltungen. Viel, viel Rückenlage. Manchmal aber liegt sie auf dem Rücken, er auf dem Bauch, das kann auch wechseln. Mein Gott, fragt man einigermaßen verunsichert, sie können auch sitzen? Aber schon kommen sie übers Robben und wenige Varianten der Fortbewegung im Knien schon wieder ins Liegen. Alles sehr ernsthaft, konzentriert und meditativ. Sanfte Blicke gibt es auch, Berührungen, Kopf-Kopf, Arm-Arm, Kopf an Hüfte. Am Ende eine Verknotigung, keusches Geknäule, Entknotung und Erschöpfung. Vorbei nach 15 Minuten.

Jetzt Teil zwei. Das Eigentliche? Ein wenig Hoffnung hat man ja noch. Aber am Boden werden die folgenden Übungen auch absolviert. Zwei Frauen, drei Männer. Blickkontakte, Wort- und Satzassoziationen, Sensibilisierungsketten, Reaktionstests. Jetzt kommt nach dem Reden Sound dazu, so ein nerviger Tinitus-Ton, leises Rascheln und die Geräusche der Straße in echt, denn die Fenster sind offen, richtig performativ. Die Menschen auf dem zuvor meditativ gereinigten Parkett flattern. Sie üben sich in Stillstand, vollführen Selbstverknotungen auf einem Bein. Und immer wieder lockt der Boden. Zittern, Zagen, Zappeln. Der Sound zirpt jetzt elektronisch. Fünf Menschen sind bei einer Sache, die sie sehr zu interessieren scheint, nur schaffen sie es nicht auch nur das geringste Interesse daran bei mir zu wecken. Wollen sie wohl auch nicht. Und dann will ich auch nicht mehr. Und so breitet sich mit dem erneuten Aufkommen des Tinitus-Tones lediglich lähmende Langeweile aus.

Ortswechsel. Sophiensaele. Ein Zug donnert vorbei. Jedenfalls klingt es so, wenn Arto Lindsay seine E-Gitarre zur Soundmaschine macht. So wie nicht auszumachen ist, ob der Mann wirklich das Instrument spielen kann und in der Lage wäre Akkorde zu greifen, sondern einfach cool behauptet, dass er das jetzt tut, so ist auch nicht gänzlich auszumachen, was im Zusammenspiel mit dem Tänzer Richard Siegal der Verabredung folgt oder der Intension des Augenblicks entspringt. Wer unterhält hat gewonnen, und unterhaltend ist die kleine, feine Show von knapp 45 Minuten mit dem Titel „Muscle“ aus Elementen unterschiedlicher Tanz- und Musikrichtungen, die dieses wahrhaft erfrischende Duo mit Humor und Spaß an ungewöhnlichen Formen des Dialoges zwischen Klängen, Geräuschen, Worten und Songs auf der einen Seite und einem Feuerwerk aus Tanz, Bewegung auf der anderen Seite zur späten Stunde in das Festivalgeschehen einbringen. Gemeinsame Aktionen der beiden Künstler gibt es auch, alles gänzlich unprätentiös, was so locker wirkt, ist Frucht harter Arbeit und vor allem – um beim Thema des Festivals zu bleiben – eine gelungene Korrespondenz aus Klang und Körper, Material und Licht. Richard Siegals tänzerische Präsenz, die sich aus vielen Stilen und Richtungen nährt, ist von jungenhafter Frische und besticht durch den hohen Grad an Authentizität und persönlicher Grundierung.

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