Im Schatten der Schwebebahn

Pina Bausch, zurückgekehrt mit "Neues Stück 2009" aus Chile

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Wuppertal, 20/06/2009

Chile also diesmal! Von ihrem Welterkundungstrip sind Pina Bausch und ihr Wuppertaler Tanztheater aus der iberischen Anden-Republik zurückgekehrt. Und wieder ohne Titel. „Neues Stück 2009“ nennt sie ihre neueste Kreation in zwei Teilen à 65 Minuten. Vielleicht sollte sie sich entschließen, es bei diesen Jahrgangstiteln zu belassen – eine Marotte zwar, wie bei ihrem Kollegen Schläpfer in Mainz mit seiner Numerologie (die er offenbar in Düsseldorf fortzusetzen entschlossen ist). Dann könnten wir ihre Kreationen wie einen Jahrgangswein klassifizieren – der 2009er gehörte dann wohl zu den weniger ergiebigen (aber vielleicht reift er ja noch nach) – sehr im Gegensatz zum chilenischen Eigengewächs „Los Vascos“.

Chile also. Aber welches? Im Ballett denken wir entweder an die Exilexistenz der Ballets Jooss – und an Patricio Bunster, den so einflussreichen Lehrer von Stephan Thoss. Und dann natürlich an Marcia Haydée samt Jean-Christophe Blavier und einige Junioren aus Santiago. Und unvermeidlich an Pinochet und die Honecker-Sippschaft. Wie hätte die wohl auf Pina Bauschs Chileana reagiert? So lau wie das Publikum dieser Samstagvorstellung im Barmer Opernhaus, die sechste des neuen Programms? Das hielt sich diesmal doch ziemlich bedeckt, quittierte die eine oder andere Bausch-Reminiszenz mit schmunzelndem Vergnügen, doch spontane Zustimmung oder gar bekräftigender Applaus kamen nicht auf.

Der Grund: Pina Bausch hat diesmal weniger aus dem Land mitgebracht als bei früheren anthropologischen Expeditionen. Wie sehnte man sich an diesem Abend nach den lokalen Funden, wie sie vor 150 Jahren Bournonville etwa in „Fern von Dänemark“ von seinen Weltreisen mitgebracht hat. Pina Bausch hingegen scheint in Chile – außer der chilenischen Musik – vor allem Wuppertal entdeckt zu haben, dieselben Herz-Schmerzgeschichten wie gehabt, dieselben Geschlechterrangeleien und Rollenspiele wie daheim an der Wupper. Das ist zwar immer wieder vergnüglich anzusehen und wurde von den Wuppertalern brillant getanzt – aber musste man dazu den Atlantik überqueren? Wie wär‘s denn, wenn Pina Bausch den Jahrgang 2010 zur Abwechslung mal wieder als Wuppertaler Eigengewächs ausbaute? Gereift im Schatten der Schwebebahn! Aber vermutlich ist der ja bereits verplant. Sollte mich nicht wundern, wenn er aus Burkina Faso kommt.

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