Zu schön um wahr zu sein

Plant Stuttgart die Gründung einer John Cranko-Stiftung?

oe
Stuttgart, 01/04/2008

Sollte es sich wirklich nur um einen Aprilscherz handeln? Bei dem Gerücht, das derzeit in Stuttgarter Ballettkreisen die Runde macht? Dass nämlich Dieter Gräfe, Lebensgefährte Reid Andersons und Erbe John Crankos, sich mit dem Gedanken trägt, eine John Cranko-Stiftung ins Leben zu rufen? Zur Förderung des Ballettnachwuchses im Allgemeinen, aber auch zur Einrichtung einer Dokumentationszentrale für die künstlerische Hinterlassenschaft Crankos. Gedacht ist dabei zunächst auch an die lange überfällige Produktion von DVDs der großen Cranko-Klassiker „Romeo und Julia“, „Onegin“ und „Der Widerspenstigen Zähmung“.

Auch ohne genau zu wissen, was für eine Summe sich da in den 35 Jahren allein für den Erwerb der Aufführungsrechte und die Vorstellungstantiemen der in der ganzen Welt gespielten Cranko-Ballette bei dem Erben angehäuft hat (man munkelt von einem zweistelligen Millionenbetrag), kann man sich ausmalen, was für ein enormes Kapital da über ein Dritteljahrhundert zusammengekommen ist. Das dann ja auch zur Kofinanzierung des geplanten Neubaus der Cranko-Schule herangezogen werden könnte.

Dass Stuttgart in Sachen Ballett-Stiftung einen offensichtlichen Nachholbedarf hat, erhellt der Vergleich mit anderen großen Choreografen-Nachlässen, wie etwa England mit dem Erbe Ashtons oder MacMillans umgeht oder Amerika mit der Hinterlassenschaft Balanchines oder Robbins' – aber auch die in Paris und New York ansässige Nureyev Foundation könnte da einige Entwicklungshilfe leisten, wie ja auch John Neumeier und Heinz Spoerli entsprechend vorgesorgt haben. In diesem Zusammenhang wäre es dienlich, wenn die Theater einmal mit Informationen herausrückten, wieviel denn der Erwerb der Aufführungsrechte eines Cranko-Balletts kostet – und was für Tantiemen dann pro Vorstellung zu zahlen sind. Da dürfte es eine Preistabelle entsprechend dem Renommee des Hauses und der Kompanie geben – so wird eine „Onegin“-Produktion, an der etwa das Ballett der Pariser Oper interessiert ist, wesentlich teurer sein, als wenn sich Prag oder Manila darum bemühen.

Interessant ist übrigens, zu erfahren, dass der Erwerb der „Onegin“-Rechte längere Zeit blockiert war, weil er an die Verpflichtung zur Übernahme der Ausstattung von Jürgen Rose gebunden war. Deren Neuherstellung war nicht zuletzt der Kostümstoffe wegen derartig teuer geworden, dass sie sich auch große Häuser wie die Mailänder Scala oder die Berliner Staatsoper nicht länger leisten konnten. Weswegen die Hinterlassenschaftsverwalter sich nolens volens zu einer billigeren Ausstattung der geplanten Einstudierungen entschlossen haben. Die Verweigerung einer solchen kostengünstigeren Neuausstattung der Neumeierschen „Kameliendame“ hat den Siegeszug dieses Balletts um die ganze Welt empfindlich gebremst. Gespannt wird man sein dürfen, wie es denn Stuttgart selbst mit dem „Onegin“ halten wird, wenn dessen jetzige Originalausstattung so verschlissen ist, dass eine Neuanfertigung der Kostüme nicht länger aufgeschoben werden kann. Aber dann kann ja die Cranko-Stiftung als Sponsor tätig werden. Wenn sie denn zustande kommt.

P.S. Wie ich nachträglich erfahre, hat es sich wirklich nur um einen Aprilscherz gehandelt!

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