„Ballett im Park“

„Ballett im Park“ mit John Crankos „Onegin“

Zum Abschluss der Saison

„Ballett im Park“ in Stuttgart feiert Crankos „Onegin“

Mit Picknickkörben zum Ballett. „Ballett im Park“ in Stuttgart macht es möglich und erschafft bewegende Momente.

Stuttgart, 28/07/2023

Im ausverkauften Stuttgarter Opernhaus geht der Vorhang hoch, im Park die Leinwand: „Ballett im Park“ – in diesem Jahr zur Eröffnung mit der Live-Übertragung einer Aufführung aus dem Opernhaus von John Crankos „Onegin“ nach Puschkins Versroman, musikalisch eingerichtet von Kurt-Heinz Stolze nach Peter Tschaikowsky.

Offensichtlich, das lässt sich spüren bei den Menschen auf der Wiese im Park, ja auch mit Picknick-Körben, ist die Kraft der emotionalen Berührung enorm. Da sind die beiden Pas de deux, in der zweiten Szene des ersten Aktes, in Tatjanas Schlafzimmer; in der zweiten Szene des dritten Aktes in Tatjanas Boudoir, das verzweifelte Finale einer tragischen Abfolge von Missverständnissen und Erniedrigungen mit dem für den jungen Dichter Lenski tödlichen Ausgang in einem sinnlosen Duell. Man spürt von viel mitfühlende Anteilnahme bei den Gästen im Park für diesen von Adhonay Soares da Silva so überzeugend getanzten Verlierer.

Vor allem in den Szenen der Tatjana, zunächst in der berühmten „Briefszene“ – nicht zuletzt auch im inneren Dialog in Tschaikowskys Oper – , erweist sich Cranko als Meister des Handlungsballetts. Tatjana ringt sich durch, ihren Brief an Onegin zu schreiben, ihm ihre Zuneigung mitzuteilen. Wenn dann in einer sehnsuchtsvollen Traumerscheinung Onegin selbst aus dem Spiegel tritt, dann ist zu erleben, wie die klassische Tradition dieses Tanzes es vermag, verwundbare Seelen bei höchsten technischen Anforderungen handlungsbezogen choreografisch zu inszenieren. Friedemann Vogel in der Titelrolle und Elisa Badenes als Tatjana lassen keine Wünsche offen. Es ist die enorme Kraft der Sensibilität und des höchst emotionalen Ausdrucks.

Aber Onegin wird Tatjana demütigen, ihren Brief zerreißen. Seine Einsicht kommt zu spät, wenn er im finalen Pas de deux seine angebliche Liebe bekennt, selbst einen Brief übergibt. Dann aber führt nicht zuletzt der Tanz Tatiana in die Kraft schmerzvoller Ablehnung seines Antrages, in die Einsamkeit an der Seite des von Jason Reilly getanzten Fürsten Gremin.

Erstaunlich ist, wie sich im Park, in milder Abendstimmung, eine spürbare Zuneigung zu diesen Tänzerinnen und Tänzern, ländlich, festlich, heiter, verbreitet. Und vor allem, kaum zu glauben, die Musik, so sensibel, wie im Einklang des gemeinsamen Atmens mit den Tänzerinnen und Tänzern, vom Stuttgarter Staatsorchester unter der Leitung von Wolfgang Heinz gespielt, sich doch durchzusetzen vermag gegen mitunter ganz schön wummernde Sounds vom nahen Schlossplatz.

Großer Jubel im Theater. Stürmischer Applaus im Park, wenn sich das ganze Ballett auf dem oberen Balkon des Opernhauses zeigt.

Ja, dieses Format macht Sinn, es macht Spaß, es macht Freude. Und die Hoffnung, dass dann doch Menschen demnächst aus dem Park den Schritt ins Theater wagen werden, ist sicher nicht so ganz vergeblich.

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