Das Bayerische Staatsballett eröffnet seine Saison mit „Onegin“ von Cranko
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Nach mehr als drei Jahrzehnten reist das Stuttgarter Ballett am kommenden Sonntag in die US-amerikanische Hauptstadt. Vom 8. bis 12. Oktober gastiert das Ensemble mit insgesamt sieben Vorstellungen von John Crankos Meisterwerk „Onegin“ im John F. Kennedy Center for the Performing Arts.
Die USA spielten von Beginn an eine zentrale Rolle in der internationalen Erfolgsgeschichte des Stuttgarter Balletts: 1969 begann mit einer Tournee in den USA das „Stuttgarter Ballettwunder“. Bereits 1971 war die Compagnie erstmals in Washington D.C. zu erleben, zwei Jahre später folgte das erste Gastspiel im Kennedy Center – beide noch unter der Leitung von John Cranko. In den 1970er- und 1980er-Jahren war das Stuttgarter Ballett mehrfach im Kennedy Center zu Gast, zuletzt 1992 – ebenfalls mit „Onegin“.
Nun folgt das Ensemble der Einladung des Kennedy Centers und von IMG Artists und kehrt nach über 30 Jahren in die US-Hauptstadt zurück, um dem amerikanischen Publikum John Crankos „Onegin“ zu präsentieren.
Mein Name ist Kajo Nelles, ich war zwölf Jahre lang Direktor der Internationalen Tanzmesse NRW. Ich schreibe heute, um meine Bestürzung darüber auszudrücken, dass ich auf tanznetz gelesen habe, dass das Stuttgarter Ballett vom 8. bis 12. Oktober im Kennedy Center auftreten möchten.
Das zeigt, dass es Ihrer Kompanie entweder an Feingefühl mangelt oder dass es sich bewusst auf die Seite des Mannes (Präsident Donald Trump) stellt, der das Theater in den letzten Monaten auf den Kopf gestellt hat, indem er sowohl eine Personalpolitik als auch eine künstlerische Ausrichtung diktiert hat, die seine Welle politischer „Säuberungen“ , auch im Kunstbereich, vorantreibt.
Trump hat die Wurzeln fast aller amerikanischen Institutionen gekappt, die kulturelle Organisationen unterstützen. Er hat zugesagte Fördermittel für Tanz-, Theater- und Opernensembles für 2025 und 2026 zurückgezogen und damit viele Kulturorganisationen an den Rand des finanziellen Ruins gebracht. Seine Regierung hat die Finanzierung von CPB (Corporation for Public Broadcasting), PBS (Public Broadcasting System) und NPR (National Public Radio) gestrichen – allesamt unverzichtbar für die Verbreitung von Tanz, Theater und Musik. Die Mitarbeiter des National Endowment for the Arts und des National Endowment for the Humanities wurden entlassen, und ihre Finanzierung soll gestrichen werden. Trump geht brutal gegen die kreative Gemeinschaft vor, deren Aufgabe es ist, das Leben des Landes widerzuspiegeln.
Ich verurteile das Engagement des Stuttgarter Balletts in dieser Hinsicht aufs Schärfste – auch im Lichte der „Säuberungen im Kunstbereich“ während der deutschen Diktatur. Auch damals rechtfertigten sich „konforme“ Künstler im Nachhinein damit, dass Kunst nichts mit Politik zu tun hat und es nur um die reine Kunst ginge (z.B. Leni Riefenstahl und, und, und).
Im besten Fall handelt das Stuttgarter Ballett mit mangelndem Geschichtsbewusstsein oder es unterstützt bewusst den politischen & kulturellen Rechtsruck in den USA.
Lieber Kajo,
ich danke dir für deinen klaren und mutigen Brief.
Deine Worte treffen einen Punkt, der weit über das Stuttgarter Ballett hinausgeht – nämlich die Frage, welche Verantwortung Kunst in Zeiten politischer Einflussnahme trägt.Wenn Kulturinstitutionen sich in ein System begeben, das gezielt die künstlerische Freiheit einschränkt, dann ist das keine neutrale Entscheidung mehr.
Auch wenn die Intention vielleicht unpolitisch gemeint war, die Wirkung ist es nicht.
Ein Auftritt am Kennedy Center unter der gegenwärtigen Leitung bedeutet unweigerlich, Teil einer symbolischen Inszenierung zu werden, in der Kunst als Dekoration einer Macht dient, die sie zugleich entwertet.Ich halte es für dringend notwendig, dass Künstler:innen und Kompanien diese Zusammenhänge offen benennen.
Gerade jetzt, wo demokratische und kulturelle Errungenschaften weltweit unter Druck geraten, kann sich niemand mehr auf den Standpunkt zurückziehen, Kunst habe „nichts mit Politik zu tun“.
Das war schon immer eine Illusion – und eine gefährliche.Ich sehe darin keine pauschale Verurteilung des Stuttgarter Balletts, wohl aber einen Weckruf: Wenn man in einem politisch instrumentalisierten Raum auftritt, muss man Haltung zeigen, sichtbar, hörbar und transparent.
Sonst verwandelt sich Kunst unversehens in Schweigen – und Schweigen hat in solchen Zeiten Gewicht.Danke, dass du dieses Thema so klar ansprichst. Es ist unbequem, aber notwendig.Mit solidarischen Grüßen,
Rolf
basierend auf den Schlüsselwörtern
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