Yin und Yang des zeitgenössischen Tanzes

„Softer! I can’t hear you” von Eun-Me Ahn in Heidelberg

Heidelberg, 06/02/2008

Im vergangenen Frühjahr hat Eun-Me Ahn mit dem Gastspiel „Louder! Can you hear me?“ ihre Visitenkarte abgegeben. Ein turbulentes Tanzstück in knallbunten, hautengen Kostüme vor weißem Hintergrund, und – anders als der Titel erwarten lässt – über lange Strecken in absoluter Stille. Jetzt hat die koreanische Choreografin den Nachfolger „Softer! I can’t hear you” für das zwischen Freiburg und Heidelberg pendelnde Tanzensemble pvc bühnenreif gemacht.

Zwei Wochen nach der Uraufführung in Freiburg begeisterte das bildreiche, tanzästhetische Cross-Over im Heidelberger Stadttheater. Aus ihrer asiatischen Tradition bringt Ahn die Lust am Tanz als Kostümanimation, an schrillen Farbkombinationen und am Ornamentalen mit. Die Bühne (Nadia Fistarol), eine Box aus Spiegelfolie, bemalt mit überdimensionalen Blüten, Ranken und Kolibris sowie Lichtpunkten und Sternen, suggeriert kosmische Weite und – an Geschenkpapier erinnernd – intime Nähe. In dieser wild wuchernden Melange aus Makro- und Mikrokosmos mal in Blau-, Schwarz- oder Rotlicht getaucht, tummeln sich – klein wie Insekten und oft wie Chamäleons kaum erkennbar - zwei Tänzerinnen und drei Tänzer, alle in Frauenkleidern.

Unisex und Neonfarben sind Markenzeichen der Choreografin, die ihre Kostüme selbst entwirft. Dabei fällt Ahn in „Softer!“ nicht mit Bonbonfarben ins Haus, sondern lässt die fünf Darsteller in diesem Nachtstück lange mit schwarzen, weiten Röcken experimentieren. Geschlungen wie in Renaissancetänzen oder geschwungen wie im Ausdruckstanz, werden die bodenlangen dunklen Gewänder zum Prototyp tanzhistorischer Exkurse. Mal verspielt verschwindet ein Kopf im Kleid und die Ärmel wackeln wie Hasenohren; mal grotesk, verhüllen sie Kopfüber gestülpt den Oberkörper, stellen den Unterleib zur Schau. Einer tritt dem anderen auf den Saum, oder es schlüpfen und wuseln mehrere unter einem Rock, das Strechmaterial gibt nach, Körper und Kostüm verschmelzen zur Skulptur. Dominierte in „Louder!“ der sportive Gestus des amerikanischen Modern Dance, lässt „Softer!“ zunehmend europäische, will heißen Tanztheater-Einflüsse erkennen. Geübt im Yin und Yang, dem geistigen Tanz der Gegensätze, erweist sich Ahn als Meisterin handwerklich gut gemachten Cross-Overs.

Der filmische Soundtrack aus Endlosschlaufen von Young Gyu Jang kommt der Fusion entgegen. Auf niedrigem Energielevel beginnend, steigert sich die Musik kontinuierlich, von poetisch-zeremoniell zu einer expressiv pulsierenden Klangcollage. Nach einem Intermezzo in weißen Minikleidchen saugen die fünf Tänzer den musikalischen Energydrink auf wie eine Droge. Mit knielangen Kleidern in den Farben von Textmarkern rennen sie zum rauschenden Finale die Quarterpipe rauf. Bizarre Aktionen und tollkühne Duette auf dem schmalen Grat der rückwärtigen Rampe wechseln mit Rutschpartien und Sprüngen in den Abgrund.


Info: Weitere Vorstellungen von „Softer! I can’t hear you” am Theater der Stadt Heidelberg, Theaterstr. 4, sind am 08., 12. und 21. Februar jeweils um 20 Uhr.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern