„touch_taff“ von Corinna Clack, Gaëlle Morello und Jona Oldenburg 

Beispielhaftes Miteinander

„touch_taff“ bei der Heidelberger Tanzbiennale 2025

Corinna Clack, Gaëlle Morello und Jona Oldenburg haben zusammen mit Jugendlichen ein inklusives Tanzstück geschaffen. Am Eröffnungstag der Tanzbiennale feiert das Projekt im Zwinger 1 eine vor Energie sprühende Premiere.

Heidelberg, 04/02/2025

Schon beim Einlass geht auf der Bühne im Heidelberger Zwinger 1 die Post ab. Im Zentrum der Bühne tanzt eine Gruppe junger Tänzer*innen eine spannende Formation, die wie eine Welle im Mittelpunkt wogt. Dazu spielen die Musiker*innen links hinten im Bühneneck mit Schlagzeug, Klavier, Kontrabass und Stimme einen beschwingten Sound. An den Seiten der Bühne stehen jeweils große dunkle Stellwände, die den Raum perfekt rahmen. Sie werden von einzelnen Tänzer*innen als Tafel und weiteres Medium benutzt, um das Befinden aller in Worte zu fassen. Da schreibt zum Beispiel eine junge Tänzerin das Wort „alleine“; eine andere schreibt die Wörter „zu dünn, zu laut“. Klar wird, dass es sich hier einerseits um die Gefühle der jungen Menschen handelt, andererseits aber auch um die Forderungen und Ansprüche an ihre Person: Was sie falsch machen oder wie sie zu sein haben. Umso mehr beeindrucken die Bewegungen, die die Schreibenden ihren Wörtern hinzufügen. Kaum ist das Wort geschrieben, drehen sie sich in eine Bewegung, fallen zu Boden oder springen in die Luft und führen ihren Ausdruck in höchst tänzerischer Weise fort, um eine neue Bewegung zu initiieren oder ein neues Wort zu schreiben. Das ist großartig anzusehen und eine der vielen tollen Ideen, den Titel „touch_taff“ zu unterfüttern. 

„Balancieren“ ist auch so ein Wort, das an der Tafel steht und sich wunderbar in der aus Hockern gebauten Brücke spiegelt, über die das Ensemble balanciert. Im nächsten Moment werden diese Hocker zum Kreis gestellt und ein Stuhlspiel beginnt, das jeder kennt. Alle laufen um die Sitzgelegenheiten herum, bis sich eine Tänzerin oder ein Tänzer setzt und jeden mitreißt, einen Platz zu ergattern. Eine Akteurin bleibt übrig und steht allein. Wieder beginnt das Spiel von vorne und wieder bleibt eine außen vor. Es ist dieselbe Tänzerin, die auch zuvor keinen Platz gefunden hatte. Und noch mal und wieder die gleiche Situation. Sie bleibt ausgeschlossen und steht als einsame Figur neben der sitzenden Gruppe, die wie ein verschworener Knoten zusammenhält. Berührend ist diese Körpermetapher schon allein deswegen, weil wahrscheinlich jede*r das Gefühl, nicht dazuzugehören, kennt. Und in der Wiederholung des Szenarios tritt es besonders deutlich hervor und steht als Bild für die Gesellschaft, die den Ausschluss einzelner Menschen oder bestimmter Gruppen betreibt. Konkret ausgesprochen werden in „touch_taff“ die verschiedenen Diskriminierungen in eingesprochenen Off-Kommentaren, zu denen jeweils ein Tänzer oder eine Tänzerin in den Bühnenvordergrund tritt. „Ich bin schon 18, aber manche sprechen mit mir, als wäre ich acht.“

„Wie stark muss man sein, um zart sein zu können?“, ist eine grandiose Frage aus dem Off, die uns eine weitere Tänzerin samt ihrer Körpersprache entgegenhält, und die uns alle betrifft. Was mutet man anderen zu und wieviel kann ein Mensch tragen, um stabil zu bleiben und nicht einzuknicken? Und wohin mit den Verletzungen und der daraus resultierenden Wut? „touch_taff“ findet eine ausgezeichnete Form für diese Fragestellungen und ist dabei selbst die beste Antwort. Darüber hinaus ist das Stück ein herausragendes Beispiel dafür, wie inklusive Tanzarbeit geht und überhaupt inklusives Miteinander. Am Ende sitzt die gesamte Gruppe am Boden beieinander und stützt an den Füßen die einzige aufrechte Figur, die beim Stuhlspiel einsam alleinstand. Sie ist jetzt die Akteurin, die stark und zugleich zart ist. Wie eine Hüterin, die sanft über ihre Mitstreiter*innen wacht, bewegt sie ihren leicht in alle Richtungen schwingenden Körper aus einem Zentrum, das von allen gestützt wird.

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