Spagat zwischen Generationen, Geschlechtern und Geschichte

Mit dem Männer-Duett „Don Q.“ vom Stuttgarter Hauschoreografen Christian Spuck zur Eröffnung des 11. Internationalen Tanzfestivals Kassel wurden die nimmermüden Tanzfreunde der nordhessischen Metropole reichlich belohnt für ihre Beharrlichkeit, die eingeschlafenen Festtage neu zu beleben. Der Erfolg von Johannes Wieland als erfrischend weltgewandtem Tanztheaterchef unter Generalintendant Thomas Bockelmann machte die Reanimation möglich. Ein besseres Signal für die Vielfalt und Attraktivität von globalen tänzerischen Ausdrucksmöglichkeiten heutzutage als die anrührende Choreografie des gebürtigen Marburgers für zwei Tanz-Meister zweier Generationen und Nationen ist kaum vorstellbar.

Die tragikomische Figur des Don Quixote dient Spuck als Chiffre für heikle Beziehungen wie die zwischen Herr und Diener, die völlig unterschiedliche Träume und Realitäten leben. Musikalische Nummern aus Ludwig Minkus' klassischem Ballett zitiert die Musikcollage von Martin Donner ebenso intelligent wie heutige Popsongs. Der Kontrast zwischen dem heute 65-jährigen Dänen Egon Madsen, Startänzer der ersten Stunde in John Crankos „Stuttgarter Ballett“ und Mitglied von NDT III, und dem 30-jährigen Kanadier Eric Gauthier, heutiger Stuttgarter Tänzer und Choreograf, kulminiert in dem Spagat des drahtigen jungen Partners, den der alternde Spielkamerad, Vater, Kumpel ebenso leidenschaftlich wie atemlos und wehmütig liebt. Irgendwann können beide die schöne Fassade nicht mehr aufrecht halten. „Sancho Pansa“ vergisst, seine blonde Dulcinea-Perücke und das rosa Tüllkleid im Schrank zu verstecken und geht mit dem Schaukelpferd – soll sein: Rosinante – ab. Das verrostete Fahrrad taugt noch viel weniger als Lasterträger der beiden Männer.

„German Wings“ ist das eher unglückliche Motto dieses Festivals, dessen Sponsor mitnichten die glücklose deutsche Fluglinie ist. Gemeint ist das Programm, das neu abhebt mit Choreografien von Künstlern aus aller Welt, die in Deutschland entstanden sind. Eine wunderbare Idee – ein wunderbarer Auftakt.