Petitessen auf Rädern

„Gauthier Dance Mobil“ tanzt für Senioren in Heilbronn

Heilbronn, 19/04/2008

Fenster zugehängt, Tanzteppich ausgerollt und fixiert, Scheinwerfer verkabelt und eingerichtet – in zwei Stunden verwandeln die Techniker des Stuttgarter Theaterhauses den Speisesaal des Seniorenheims der Heilbronner Richard Drautz Stiftung in ein Bühnenprovisorium. Flötenkonzerte und Ausstellungen gibt es hier öfter, aber ein Spektakel in dieser Größenordnung ist neu für das Haus. Rund 70 Bewohnerinnen und Bewohner, darunter über 20 Rollstuhlfahrer, haben sich eingefunden und erwarten mit Spannung die Tanzvorstellung der Stuttgarter „Gauthier Dance Company“.

Der Auftritt in Heilbronn ist der erste von bisher dreizehn, der im Rahmen der soziokulturellen Reihe „Gauthier Dance Mobil“ außerhalb Stuttgarts gegeben wird. Der Chef persönlich präsentiert sich und das Programm: „Isch bin die Leiter von das Ensemble“. In vierzig Minuten zeigt die sechsköpfige Kompanie vier Choreografien, zwei davon - „Air Guitar“ und „Ball Passing“ - sind Teil des aktuellen Ballettabends, die anderen beiden passen gut ins Programm netter Petitessen. Den Auftakt macht das Herrenduo „Du’Or“, eine schalkhafte Choreografie von Lior Lev zur Musik von Mozarts „Cosi fan tutte“, in der Armando Braswell und Alexis Dupuis-Le Blanc ihre Tanztechnik mit einer guten Portion Komik garnieren. Etwas klassischer Gauthiers preisgekröntes Solo „Ballett 101“. Brillant auf Halbspitze getanzt von Anja Behrend, fügt der Kanadier den fünf Grundpositionen 96 weitere hinzu - darunter als 80ste Position ein wunderschön „Sterbender Schwan“. Ballettästhetik vom Feinsten, die er bis zur Erschöpfung abruft.

Sein legendäres Stück „Air Guitar“, eine pfiffige Huldigung an das Saiteninstrument - exquisit interpretiert von Braswell – begeistert das Publikum wie das fröhlich quirlige Finale „Ball Passing“. Bunte Bälle fliegen hin- und her, werden in rhythmischen Mustern gereicht und geworfen. Der Choreograf Charles Moulton hat es auf Wunsch von Gauthier den sechs Wahl-Stuttgartern auf den Leib geschneidert. Dem Stück, das üblicherweise von viel mehr Mitwirkenden getanzt wird, tut die kleine Besetzung keinen Abbruch. Wie auf der großen Bühnen lebt es im Kammerformat der nur vierzig Quadratmeter von der sprühenden Tanzfreude der engagierten Truppe.

„Die Gauthier Dance Company habe ich in einer TV-Sendung gesehen und war begeistert. Da wurde erwähnt, dass die Tänzer auch in Jugendhäusern, Altersheimen und Kliniken auftreten“, erinnert sich der Stiftungsvorstand Eberhard Herrmann, dem die Freude über den gelungenen Auftritt ins Gesicht geschrieben ist. Als Gauthier nach der Vorstellung um Fragen und Kommentare bittet, meldet sich eine ältere Dame zu Wort: „Keine Fragen, nur großes Lob!“ Damit war das wohl das kürzeste Publikumsgespräch in der jungen Geschichte des Tanzensembles. Bei Auftritten in Jugendhäusern sei die Reaktion ganz anders. Da werden die Tänzer nicht nur mit Fragen überschüttet, sondern, laut Dramaturgin Vivien Arnold, auch mit gut gemeinten Ratschlägen versorgt, beispielsweise in welchem Stuttgarter Sprachkurs perfekt Deutsch gelernt werden kann.

 

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