Die Tanzmedizin feiert einen runden Geburtstag

Nora Abdel Rahman über das Dresdner Symposium

Dresden, 07/05/2008

Zehn Jahre Tanzmedizin in Deutschland sind Grund genug, um auf das Erreichte zurückzuschauen und eine Vision für die Zukunft zu formulieren. Ein kühles Bier und eine heiße Vision haben 1998 eine Gruppe von Tänzern, Medizinern und Bewegungstherapeuten beflügelt, einen Verein für Tanzmedizin in Deutschland zu gründen. Dieser Verein, kurz TaMeD genannt, wird heute von knapp 400 Mitgliedern getragen. Ein Blick auf die Online-Plattform www.tamed.de zeigt jedoch, wie stark inzwischen das Interesse an den Themen Tanzmedizin, Bewegung und Gesundheit gewachsen ist. Fast 80.000 Zugriffe konnten vom Mai 2007 bis heute verzeichnet werden; das sind monatlich über 6.000 Klicks auf die Seite des Vereins. Wer zudem noch regelmäßig über das aktuelle Workshop-Angebot von TaMeD sowie über kommende Veranstaltungen aus der Tanzszene informiert werden möchte, abonniert den Online-Newsletter, der alle zwei Monate erscheint. Über 600 Mitglieder und Nichtmitglieder nutzen diesen Service bereits. In wenigen Schritten lässt sich die Anmeldung für den Newsletter auf der Homepage des Vereins durchführen.

Seit Anfang des Jahres bündelt TaMeD sein Wissen für die Mitglieder im TaMeD-Magazin. Das Fachmagazin enthält Beiträge über die neuesten Erkenntnisse aus der Tanzmedizin und über wichtige Aktivitäten des Vereins. Ein Bezug des Hefts für Nichtmitglieder über den Buchhandel ist bereits in Planung. Weitere Einblicke in die breit gefächerte Wissenschaft der Tanzmedizin erlaubt das Infoblatt des Vereins. Es rundet mit seiner Ausrichtung auf neue Forschungsergebnisse das produktive Angebot von TaMeD ab. Demnächst erscheint das 7. Infoblatt zum Thema „Emotionale Intelligenz“. Tanzwissenschaftler Thom Hecht stellt in dieser Ausgabe seine Analysen im Bereich Tanz und emotionale Intelligenz vor und vermittelt darüber hinaus innovative Werkzeuge für Tänzer, Lehrer und Schüler. 

Das X. Symposium der Tanzmedizin 

Am ersten Maiwochenende versammelten sich zum zehnten Mal Tänzer, Mediziner, Wissenschaftler und Bewegungstherapeuten auf dem Symposium der Tanzmedizin. Veranstaltungsort war die Palucca Schule in Dresden. Unter dem Titel „Tanzmedizin coacht“ fand der erste Block an Vorträgen statt. Wie sehr ein Wissen über tanzmedizinische Zusammenhänge die Bewegung der Tanzenden beeinflusst, referierte die Medizinerin Dr. Liane Simmel. Ihre Ausführungen machten deutlich, dass die Tanzmedizin als Unterrichtsfach einen wertvollen Beitrag zur Gesunderhaltung von Tänzern leistet. Wer den Aufbau und die Abläufe seines Körpers kennt, kann Verletzungen vorbeugen oder sie, wenn sie schon da sind, besser einschätzen. Margot Rijven von der Amsterdam School of the Arts stellte ein Internet-basiertes Tagebuch für Tanzstudenten vor. „The Healthy Dancer Diary“ gibt Tänzern Hilfeleistung und Kontrolle über den eigenen Gesundheitszustand. Daten wie etwa Gewicht oder Menge und Qualität der Nahrung sowie Schlaf- und Ruherhythmen und das Auftreten von Schmerzen oder Verletzungen können anonym in das Konzept eingefügt werden und lassen sich dann mit Hilfe von Graphiken auswerten.

Eine spannende Verbindung zog Tanz- und Pilates-Trainer Peter Lewton-Brain zwischen der Auswärtsdrehung (turnout) und dem Seinszustand des Ausführenden. Ein erzwungenes Turnout, das nur von den Füßen und Beinen ausgeht, führt nicht zu innerer Ausgeglichenheit. Durch die Anwendung von Vorstellungsbildern und ähnlichen Techniken kann ein aktives Turnout, das alle korrespondierenden Muskelketten berücksichtigt, ausgeführt werden. Der Effekt einer korrekt ausgeführten Auswärtsdrehung ist ein innerer Zustand des Vertrauens, der Verletzungen minimieren hilft und den tänzerischen Ausdruck stärkt.

Vorträge aus anderen Sektionen wie „Tanzmedizin trainiert“ handelten vom tänzerischen Gedächtnis. Biologin Claudia Krusche zeigte in ihrem Beitrag „Motorik ist Kopfsache“ eindrucksvoll, dass etwa fehlerhaft erlernte Bewegungsmuster nicht einfach wieder gelöscht werden können, wenn sie im Langzeitgedächtnis abgelegt wurden. Da hilft nur neu lernen und solange üben, bis die korrekt ausgeführte Bewegung ebenfalls im neuronalen Netzwerk dauerhaft gespeichert ist.

Zu einem alarmierenden Ergebnis über „Die stimmliche Situation von Tanzpädagogen und -pädagoginnen“ kam die Logopädin und Tanzpädagogin Caterina Serena Kittel. Sie untersuchte 15 Pädagoginnen im Hinblick auf ihre stimmliche Gesundheit. Alle Probandinnen, das ergab die Studie, sprachen mit einer auffällig stark gespannten Stimme. Harte bis gepresste Stimmeinsätze mit häufig erhöhten Tonlagen waren die Folge der überbeanspruchten Stimme im Tanzunterricht. Die Logopädin riet daher allen Personen mit hoher Sprechbelastung präventiv Stimm- und Atemtechniken anzuwenden. Bei Tanzpädagogen, die viel unterrichten und zusätzlich noch Musik im Unterricht übertönen müssen, sind Stimmbeschwerden fast vorprogrammiert, wenn nicht mit einer entsprechenden Stimmtechnik vorgebeugt wird.

Ebenfalls bedenklich stimmte die Studie von Sportwissenschaftlerin Nora Thierse „Zum Auftreten von Störungen des Essverhaltens und Ess-Störungen bei Jugendlichen im Tanz“. Sie kam in ihrer Analyse zu der Vermutung, dass Sportler und Tänzer versuchen, ihre Leistungsfähigkeit sowie ihre Berufschancen mit einem veränderten Ess-Verhalten zu erhöhen, das oft genug in Ess-Störungen resultiert. Die oftmals tödlichen Folgen von Ess-Störungen sollten daher unbedingt ein Thema im Tanz sein, forderte Nora Thierse.

Neben den erkenntnisreichen Vorträgen gab es wieder eine abwechslungsreiche Auswahl an Tanz- und bewegungstherapeutischen Workshops. Auch die Arbeitskreise zu Themen wie Transition, Tanzpsychologie, Wissenschaft und Forschung, Neuroscience & Dance oder „'Rhythm is it' für Senioren!“ gaben Anstöße und viel Denkmaterial zum Weiterarbeiten und für kommende Treffen.

TaMed hat in zehn arbeitsintensiven Jahren die Tanzmedizin in Deutschland auf den Weg gebracht. Auch in Zukunft wird noch viel Arbeit nötig sein, um diesen Weg weiter auszubauen. Das Symposium hat dazu wieder einen wesentlichen Baustein geliefert. Und auch das XI. Symposium der Tanzmedizin hat schon einen festen Platz im Kalender: Es findet übernächstes Jahr, also 2010, vom 14. bis zum 16. Mai statt. Der Veranstaltungsort wird sicher bald von TaMeD bekannt gegeben.
 

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