Draufhauen auf das, was kaputt ist
Johann Kresnik, der Gründervater des politischen Tanztheaters, wird 75
Das Choreographische Theater von Johann Kresnik metzelt sich zu Tode
"Triste, triste, triste! Wagner è morto!" kommentierte Verdi den Tod Wagners. Es fällt schwer, den Abend im Großen Haus des Bonner Theaters nicht entsprechend zu paraphrasieren: "Triste. triste, triste!" Hier nun also zu beziehen auf das Choreographische Theater von Johann Kresnik. Denn dies ist der letzte Abend des vor vier Jahren in Bonn so ambitioniert gestarteten Projekts. Es ist die achte Vorstellung der im Februar herausgebrachten Produktion, mit „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ als Finale des monumentalen „Ring des Nibelungen“, knapp achtzig pausenlose Minuten lang. Das Parkett schütter besetzt, im ersten Rang ein paar einsame Silhouetten, der zweite Rang gar nicht erst aufgemacht. Nach vier Jahren Kresnikscher Publikumserziehungsarbeit! Am Schluss freilich tosender, jubelnder, johlender Applaus der wenigen Anwesenden – wie heutzutage üblich (ich würde gern wissen, wie viele Karten denn wohl an der Kasse zum normalen Preis verkauft worden sind).
Triste, triste, triste, diese Bonner Insolvenz-Erklärung, ein Jahr vor Kresniks siebzigstem Geburtstag! Was den künstlerischen Wertzuwachs dieser jüngsten Kresnik-Kreation betrifft, so hat Jochen Schmidt alles gesagt (und gewissenhaft beschrieben), was darüber zu sagen ist (siehe tanznetz vom 10.02.2008: „Kresnik rechnet ab“). Ich habe dem nichts hinzuzufügen – außer der Erleichterung, so rasch mit den beiden Stücken, die nicht unbedingt zu meinen Opern-Favoriten gehören, fertig geworden zu sein. Aber dazu ist anzumerken, dass ich ein bekennender Anti-Wagnerianer bin: das Produkt meiner Nazi-Erziehung, die mich während der Schulzeit unentwegt mit dem nordischen Mythen-Gebräu konfrontierte. Das hat mich für mein Leben geschädigt (mit „Parsifal“ als besonderem Hassobjekt). Gleichwohl meine ich, mit dem Inhalt der einzelnen Werke nach mehr als fünfzigjähriger Leidenspraxis halbwegs vertraut zu sein.
Trotzdem hatte ich Schwierigkeiten, in diesen Krenikschen Phantasmagorien einzelne Szenen mit der Dramaturgie des „Ring des Nibelungen“ in Übereinstimmung zu bringen. Natürlich: die Personen waren erkennbar, schienen aber mehr durch die ingeniösen Figurinen (das heißt: die Kostüme und Masken) von Gottfried Helnwein charakterisiert als durch die Choreografie von Kresnik (von dem musikalischen Zwei-Flügel-Geplänkel plus Tonbandeinspielungen von Gernot Schedlberger ganz zu schweigen). Choreografisch war es ein einziges Hauen und Stechen – das totale Gemetzel. Wie die Bonner Tänzerinnen und Tänzer sich da hineinschmissen, mit welchem Furor sie gegen alles wüteten, was ihnen während ihrer Ausbildung eingebläut worden war, verdient meinen höchsten Respekt. Traurig war´s gleichwohl! Vier Jahre Tanzarbeit – und dann das! Wie mag ihnen wohl zumute gewesen sein an diesem Abend, da sie – wie ich vermute –, das letzte Mal auf dieser Bühne praktizierten, was sie einmal vor langen Jahren angetreten waren, als ihren Beruf auszuüben!
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