DANCE-Festival 2006: Mal Pelo

Geschaute Musik: María Muñoz Annäherung an „Das Wohltemperierte Klavier" von Bach

München, 06/11/2006

Stille umgibt María Muñoz während sie tastend mit ihren Händen die Luft abgreift. Als Musik erklingt, beginnt sie zu tanzen. Ihr Körper biegt sich – visuell in perfektem Einklang zu Glenn Goulds Einspielung von Bachs „Wohltemperiertem Klavier“. Nur das gelegentliche Schleifen ihrer Füße auf dem Tanzboden im i-camp wirkt befremdlich. María Muñoz tanzt die Musik. Doch schon in der darauf folgenden Passage stellt sie sich uns als Tänzerin jenseits der Musik vor: Ihre Bewegungen sind härter, eigenwilliger, und das Geräusch ihrer Schuhe bestimmt den Rhythmus.

Im Lauf fängt Bachs Musik sie wieder ein, und es dauert etwas, bis sie ihren Sprüngen eine gezielte musikalische Akzentuierung und damit das Abheben vom Boden zubilligt, nachdem zuerst Oberkörper und Arme die Lautmalerei beherrschten. Einer schwarzen Note gleich, die der Übermut gepackt hat, beginnt sie mit ausgreifenden Schritten oder kleinen Kopfbewegungen ihre musikalische Begleitung zu kommentieren bzw. zu konterkarieren. Verstummt diese, glaubt man ihren Posen ungeduldige Erwartung zu entnehmen.

Der Dialog intensiviert sich und erfährt durch gezielte Projektionen (Núria Font) wie den überdimensionalen, sich drehenden Schattenriss, raumbegrenzende Lichtecke oder die Großaufnahme von Händen weitere Verdichtung. Verträumt, wie eine Marionette an lockeren Fäden, lässt María Muñoz sich gegen Ende hin in die Musik fallen, reibt sich die Hände und schreitet ein letztes Mal den Raum ab – augenzwinkernd, besinnlich, still, verschämt, im ausgehenden Licht nach Entschuldigung für ihre Mitgerissenheit heischend. Zu spät! Mit ihrer leicht herben Art hat sie Bachs Musik ihren Stempel aufgedrückt, Goulds Interpretation die Ernsthaftigkeit genommen und auf unprätentiös spielerische und unvorhersehbare Weise Nachhaltigkeit bewirkt.

 

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