Antworten als Fragen, Fragen als Antworten

Simone Aughterlony mit „Performers on Trial“ bei der Tanzwerkstatt Europa

München, 13/08/2006

Ein Mann und eine Frau warten an der Rückwand der, von zwei Stühlen abgesehen, leeren Black Box des i-camp in München. Er elegant, in grauem Anzug und schwarzem Hemd mit schwarzen Schuhen, sie entsprechend im Nadelstreifenanzug mit Weste, weißem Hemd und grauem Leder an den Füßen. Dann springt sie mit ausgebreiteten Armen nach vorne an die unsichtbare Wand, durch die hindurch sie bereits Kontakt mit den Zuschauern aufgenommen hat. „Performers on Trial“ heißt das Stück von Simone Aughterlony. Der in Neuseeland geborenen und in Zürich arbeitenden Tänzerin und Choreografin steht bei diesem Versuch, dieser Prüfung, dieser Gerichtsverhandlung der Schauspieler Thomas Wodianka zur Seite.

Doch zunächst ist sie noch damit beschäftigt, adäquat im Rampenlicht anzukommen. Mehr als zehn Versuche unternimmt sie: Mal bremst sie sich schon im ersten Anlauf, mal fliegt sie gestreckterlängs hin, dann wieder klappt alles, aber doch auch wieder nicht. Irgendetwas scheint immer danebenzugehen. Sie stöhnt und kommt langsam wieder nach vorne. Als er sich dazustellt, geht das gleich klar – denn er ist ein Winner-Typ. Musik ertönt, und „success“ zählt zu den ersten Vokabeln, mit denen er uns konfrontiert. Sie dagegen scheint sich verteidigen zu müssen: Sie wäre nicht wirklich in die Sache verwickelt; sie war zwar am Tatort, hätte aber nur zugeschaut. Ein Brand im Theater? Nur ein paar Rauchvergiftungen! (Die auch uns Zuschauer betreffen könnten?) Im künstlerischen Prozeß geschehen manchmal unvorhergesehene Dinge, wird gesagt, und die Zuschauer sollten selbst sehen, was sie erwarten. Was uns in diesem Stück erwartet, sind Antworten auf imaginär gestellte Fragen. Doch wir sind es nicht, die dies und das gefragt hätten. Allerdings interpretieren wir – wie behauptet wird. Oder amüsieren uns über diese verqueren Sprechsituationen.

Aughterlonys Stück punktet aber weniger mit der Reflexion der Performance als mit schrägen Aktionen und Variationen. So absolviert Wodianka sein erstes Solo mit groß aufgerissenem Mund. Sein immer gequälteres Geschrei wird dabei von immer grotesker kombinierter Gestik begleitet: Salutieren, Haareraufen, auch Unterleibliches. Dann beginnt sie als Solistin zu tanzen und gleitet dabei zunehmend in verwackelte Pathosposen. Als beide auf dem Rücken liegen, erscheint auf der Rückwand eine Linie, die als Erregungskurve allmählich ausschlägt. Dazu knistert es elektronisch. Immerhin hat er sich nun ausgezogen und liefert mit seinem Vorzeigekörper erst eine hübsche Frontalansicht und danach bewegt-plastische Bilder. Ob ihm klar sei, wo und warum er hier sei, fragt sie. Und, nachdem er sein bestes Stück mit schwarzem Klebeband fixiert hat, ob er eine Botschaft hätte? Mit solchen Zutaten aus dem Mini-Handbuch der Reflexions-Performance werden belegte Brötchen gezaubert und als abendfüllendes Menü von 45 Minuten zelebriert. Durchaus mit Humor, aber mit wenig Witz. Mit eindrucksvoller Präsenz und gutem Handwerk, das aber eben nichts wirklich in Frage stellt. Er zieht sich dann wieder an und der Sound wird voll aufgedreht. Die Linie ist mittlerweile völlig zerrüttet, formt sich zu Fragesätzen, wird zum Wirbelfeld. Noch letzte Blicke beider ins Publikum, dann werden wir angeleuchtet und applaudieren.

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