Was für ein fantastisches Irrenhaus

Der belgische Regisseur und Choreograf Alain Platel hat sich Monteverdis „Marienvesper“ einverleibt

Wien, 16/10/2006

Seine spannende Auseinandersetzung mit Bach war furios, seine Mozart-Annäherung „Wolf“ mit einer Schar Hunden begeisterte auch in der Pariser Oper.

Nun hat sich der belgische Regisseur und Choreograf Alain Platel Monteverdis „Marienvesper“ einverleibt. Und zwar heutig. Hat sie gehört, verdaut und sprüht sie im Grazer Schauspielhaus als fulminante Abschieds-Premiere des steirischen herbstes vor ein am Ende entfesseltes Publikum.

Von der Vesper bleibt im Titel nur „vsprs“ stehen. Auch sonst lässt Platel in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten Fabrizio Cassol, der Sopranistin Claron McFadden und Musikern aus den Sparten Alte Musik und Jazz mit Balkan-Anklängen seiner Vision von religiöser Andacht und Verzückung 100 Minuten lang freien Lauf.

Es sind viele „bits and pieces“, die Platel seinen elf Tänzern abverlangt und die das multikulturelle Ensemble einmal mehr als eines der vitalsten und vor allem der künstlerischen Gegenwart nahezu ein Schnippchen schlagendes Team ausweist. Gestückelter Tanz mit Breakdance, Ballett und Akrobatik trifft diesmal auf Ausdrucksformen unterschiedlicher Trance-Rituale und psychiatrische Bildhaftigkeit: Zwänge, Hysterie, Epilepsie.

Das Kompendium des scheinbar verrückten Menschen ist weit gesteckt. Das durchgemischte Klangspektrum wirkt da aufputschend, aber immer dann, wenn Moneverdi durchkommt, beruhigend. Wieder einmal hat der ausgebildete Heilpädagoge Platel den Menschen in seiner Zerrissenheit, aber auch in seinem Bedürfnis nach Gleichgewicht erfasst.

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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