Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann

10 Jahre Tanzstiftung Birgit Keil

oe
Stuttgart, 12/06/2005

Nein, ein Feuerwerk zu ihren Ehren wie am Vorabend in Kopenhagen als Krönung des 3. Bournonville-Festivals hat es in Stuttgart nicht gegeben. Doch ausreichend Anlass zum Feiern bot das zehnjährige Bestehen der Tanzstiftung Birgit Keil allemal. Es dürfte nicht viele Teenager geben, die in ihrer relativen kurzen Lebenszeit so viel Gutes bewirkt haben: über achtzig Stipendiaten sind von ihr gefördert worden, und nicht wenige von ihnen tanzen heute in einigen unserer besten Kompanien. Und mehr noch: zwei unserer größten Choreografen-Hoffnungen haben hier ihre Visitenkarte abgegeben – der gerade mal 21 Jahre alte Australier Terence Kohler, Mitglied des Badischen Staatstheaters Karlsruhe, und der auch nicht viel ältere Brasilianer Thiago Bordin, inzwischen Solist bei John Neumeier in Hamburg.

Weiter kann die Stiftung auf die kontinuierliche Zusammenarbeit mit etablierten Choreografen wie Christian Spuck, Philip Taylor, Renato Zanella und Jörg Mannes verweisen, die auch bei dieser Jubiläumsgala dabei waren. Vielleicht werden wir in Zukunft ja auch Dominique Dumais, die Vizechefin des Mannheimer Balletts, dazu rechnen dürfen, die sich mit einer sehr expressiven Solostudie für Veronika Kornova empfahl: How can I recognize my Home“ (auch wenn ich ihre Heimat nicht erkennen konnte – was aber wohl eher an meiner beschränkten Fantasie lag). Großen Respekt also für Birgit Keils höchst erfolgreiche Langzeit-Strategie! So wurde es ein höchst abwechslungsreiches Drei-Stunden-Programm, Klassisches, modern ambitioniert, zum Teil sogar mit Bekenntnis zu dem von den Progressiven inzwischen so gründlich verachteten Spitzenschuh – manches bereits von früheren Gelegenheiten bekannt.

Ein paar regelrechte Überraschungen: so Stuttgarts neue Romeo-und-Julia-Junioren Elisabeth Mason und Marijn Rademaker, der formidable David Russo in Philip Taylors narzisstischem „erstem Frühling-Solo“ (was werden die beiden sich dann erst für den „zweiten Frühling“ einfallen lassen?), die beiden Ästhetiker Thiago Bordin mit seinen schon aus Karlsruhe bekannten Regenschirm-„Liedern“ und Jörg Mannes mit seinem offenbar von Peter Hoegs Roman „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ inspiriertem Duo „Das Geräusch leichten Schnees“ für Catherine Franco und Bordin.

Geradezu verblüffend, mit welch einer Tollkühnheit sich der Karlsruher Kohler in große Gruppen-Arbeiten stürzt – so in seinem „Intermezzo for 20“ (als ob‘s nicht auch schlicht „für“ statt „for“ heißen dürfte), das ja schon bei seiner Uraufführung im letzten Herbst durch seinen energischen Sog beeindruckte. So auch jetzt wieder bei seinem neuen „transcended in movement and a half“ zu den sehr konträren Musiken von Philip Glas and Graeme Koehne, das abermals seinen eminent theatralischen Zugriff bewies und sich im zweiten Teil in einen wahren Paroxysmus steigerte. Ob es denn wohl wie jetzt zu Bournonvilles 200. Geburtstag im Jahre 2195 ein Feuerwerk zum zweihundertsten Jubiläum der Birgit Keil Stiftung geben wird? Dem werden wir dann – hoffentlich – aus Himmelshöhen zuschauen dürfen.

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