Zur Nachahmung dringend empfohlen

Jubiläumsgala der Tanzstiftung Birgit Keil

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Ludwigsburg, 12/11/2010

Im Sommer 1995 verabschiedete sich Birgit Keil als Ballerina des Stuttgarter Balletts. Drei Tage zuvor gab sie die Gründung der nach ihr benannten Stiftung bekannt, zur „Förderung des tänzerischen Nachwuchses und der Heranbildung des Ballettpublikums von morgen“. Mit drei Galavorstellungen im Ludwigsburger Forum am Schlosspark feierte sie jetzt deren fünfzehnjähriges Jubiläum. Es ist eine stolze Liste, die sie bei dieser Gelegenheit präsentieren konnte. Sie benennt zwischen Alicia Amatriain und Zhi Yong Zhang 82 junge Tänzerinnen und Tänzer aus aller Herren Länder, die von ihr als Stipendiaten gefördert wurden, und die heute in Kompanien rund um den Globus tanzen. Dazu war es nötig, das Gründungskapital von 100 000 DM durch alljährlich immer wieder neu eingeworbene Mittel und Spenden um ein Vielfaches aufzustocken. Heute ist die Tanzstiftung Birgit Keil, sind ihre Veranstaltungen ein fester Bestandteil des deutschen Ballett-Kalenders, zu denen eingeladen zu werden die besten Tänzer aus aller Welt als eine Ehre betrachten. So auch diesmal wieder in Ludwigsburg.

Und so spiegelte das dreieinhalbstündige Programm dieses Abends die enge Vernetzung des Karlsruher Balletts, dessen Chefin Birgit Keil inzwischen ist, mit der Welt – sowieso mit der Mannheimer Akademie, aus der Karlsruhe heute primär seinen Nachwuchs bezieht, mit den Kompanien in Stuttgart, München und Düsseldorf, mit London, Monte-Carlo und New York – und sogar – surprise, surprise! – mit den Kids der Donkosaken aus Uljanowsk, die für den humoristischen Teil des Abends sorgten. Karlsruhe selbst blieb es vorbehalten, den Rahmen zu liefern, den Verweis auf die imperiale Herkunft des k.u.k.-Balletts mit dem „Kaiserwalzer“ von Birgit Keil via Johann Strauß und dem Schlusssatz der „Sinfonie in C“ von George Balanchine, dem transatlantischen Guru des welt- und zeitüberspannenden klassischen Balletts.

Dazwischen die Gusto-Stückerl der Gala: die Klassiker-Referenzen („Giselle“ mit Elizabeth Mason und Marijn Rademaker) und der Verweis, wo letzten Endes auch Keil herkommt: auf Cranko (der „Holberg“-Pas deux mit Anna Osadcenko und Evan McKie) sowie der frühlingshafte Bournonville-Beitrag mit dem „Blumenfest von Genzano“ (Moeka Katsuki und Pablo dos Santos aus Karlsruhe). Aber auch die Moderne war angemessen vertreten –mit Jean-Christophe Maillots raffiniertem „Daphnis und Chloe“-Pas-de-deux (Anjara Ballesteros und Jeroen Verbruggen vom Ballet de Monte Carlo), mit Christopher Wheeldons „After the Rain“ (Wendy Whelan und Craig Hall vom New York City Ballet) und Gerald Arpinos ausgepicht formalem „Light Rain“ (Lucia Lacarra und Cyril Pierre vom Bayerischen Staatsballett) und sogar einer Kostbarkeit aus dem frühen Sowjet-Repertoire (Kasjan Goleisowskys „Narcisse“, brillant getanzt von Ivan Putrov, Principal des Royal Ballet, London).

Und doch, gäbe es wie in diesen Tagen die Michelin-Kür, würde ich die höchste Sternenzahl an die Stuttgarter Eigenkreation verleihen: Eric Gauthiers höchst originelles „Ballet 101“, in dem sich Florian Lochner (aus Crailsheim stammend), als ein Rademaker ‚in the making‘ qualifizierte. Ohne hier alle Beteiligten dieser „Gala 2010“ der Tanzstiftung Birgit Keil namentlich zu nennen – und dazu gehören unbedingt auch Wolfgang Heinz als Leiter der Württembergischen Philharmonie Reutlingen nebst den Solisten –, summieren sich die einzelnen Pieçen dieses Abends zu einer imponierenden Demonstration der in Karlsruhe-Mannheim geleisteten Arbeit während der letzten Jahre – und ganz besonders der Lust am Tanzen, die von den Karlsruher Tänzern ausstrahlt und unweigerlich das Publikum ansteckt. Was abermals zu der Überlegung veranlasst, wozu Stuttgart wohl in der Lage wäre, gäbe es hier eine vergleichbare John Cranko-Stiftung.

 

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