ORB-TV: Clown Gottes tanzt in Beelitz

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Stuttgart, 12/12/2002

Sozusagen als Appetizer präsentierte der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg eine Reportage über die Fernsehproduktion von „Clown Gottes“ mit Gregor und Dietmar Seyffert aus den Heilstätten Beelitz bei Berlin, und ein geeigneterer Aufnahmeort hätte sich kaum finden lassen. Der nackte Raum der ehemaligen Großküche als TV-Studio für dieses „Psychogramm eines Wahnsinnigen“, das in der maßgeschneiderten Choreografie Dietmar Seyfferts für seinen Sohn Gregor inzwischen durch die halbe Welt getourt ist. Als Bühnenstück zu Strawinskys „Sacre du printemps“ getanzt, wird es in der Fernsehadaption nachträglich eine neue Musik von Fritz Schenker bekommen, deren erste Hörproben allerdings eine frappierende Nähe zu Strawinskys „Sacre“ offenbarten.

Es handelt sich dabei keineswegs um eine Verfilmung der Theaterversion, das betonten Sohn, Vater und Regisseur Frank Schleinstein immer wieder, sondern um eine televisionäre Anverwandlung der Choreografie, in der der desillusionierende nackte Raum, dessen Kälte sich via Bildschirm wie aus dem Eisschrank im Wohnzimmer verbreitete, gleichsam als zweiter Hauptdarsteller fungiert. Probenabläufe, immer wieder durch Korrekturen unterbrochen, und Gespräche bildeten den Rahmen für die tänzerische Metamorphose, die ihre Inspiration weniger aus den Nijinsky‘schen Rollengestaltungen, sondern offenbar mehr aus seinen kryptischen Aufzeichnungen bezieht. Deutlich wurde so die ungeheure Anstrengung und Konzentration, die physische Kraft und ihre transzendierende psychische Sublimierung, die diese Tour de force dem Tänzer abverlangt.

Deutlich wurde aber auch, einmal ganz abgesehen von der geradezu artistischen Virtuosität, welche die tänzerische Ausführung dieser Choreografie erfordert, die phänomenale Breite der darstellerischen Ausdrucksmittel, die Gregor Seyffert in diese Rolle investiert. Von der er sich zurecht nicht vorstellen kann, dass sie je von einem anderen getanzt werden kann, da sie so ganz auf seine Persönlichkeit zugeschnitten ist. Die perfekte Rechtfertigung für die Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2003 an diesen Ausnahmetänzer! Unbedingt vormerken das Datum für die Sendung des Fernsehfilms: am 29. Dezember um 22.35 Uhr im ORB.

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