Künstlerisch ertragreiches Sammelsurium-Programm

Der internationale Galaabend der Tanzstiftung Birgit Keil in Ludwigsburg

Ludwigsburg, 08/11/2002

Die ehemalige Stuttgarter Ballerina Birgit Keil scheint sich zur allgegenwärtigen Powerfrau des deutschen Tanzes zu mausern: Seit sieben Jahren führt sie ihre Tanzstiftung, die sich sehr erfolgreich darum bemüht, unter anderem mit dem Einsatz erheblicher finanzieller Mittel, hoch talentiertem Nachwuchs zu einer Karriere zu verhelfen. Ebenso lange ist sie die Leiterin der staatlichen Akademie des Tanzes in Mannheim, deren Absolventen seither von Truppen im In- und Ausland mit offenen Armen empfangen werden. Von der kommenden Saison an wird Keil auch noch zusätzlich die Direktion des Balletts des Badischen Staatstheaters Karlsruhe übernehmen, um es nach den Wünschen seines Intendanten Achim Thorwald zu einer klassisch orientierten Compagnie von internationalem Zuschnitt umzumodeln, was eine Herkulesarbeit sein dürfte.

Keine Angst, beruhigt Birgit Keil ihre Bewunderer am Ende des großen, traditionellen Galaabends ihrer Stiftung im Ludwigsburger Forum-Theater, das alles könne sie schultern. Zwar nicht mit links, aber doch mit der Hilfe erstklassiger Assistenten, vor allem mit jener ihres Lebensgefährten und Kollegen Vladimir Klos. Das glaubt man ihr sogar, denn auch dieser Galaabend, bestens vorbereitet und für den Schwerpunkt Italien dramaturgisch kurzweilig gestaltet, war wieder ein Muster dafür, wie solche Sammelsurium-Programme durchaus künstlerisch ertragreich sein können.

Schon der Umstand, dass fast alle dreizehn Nummern nicht von Tonkonserven, sondern durch die Württembergische Philharmonie Reutlingen unter Davor Krnjak begleitet wurden, zeugt für die Seriosität des Unternehmens. Und eine Mixtur aus Kompositionen von Tschaikowsky über Minkus und Chatschaturian bis zu Mozart stellt sehr wohl hohe Forderungen an das Engagement der Musiker. Vor allem aber hat das Programm deshalb für sich eingenommen, weil es absolut gleichberechtigt große Stars des internationalen Balletts neben noch studierenden Stipendiaten der Tanzstiftung und solchen der Ballettschule der Mailänder Scala präsentierte, was für die Jungen selbstredend Ansporn und Inspiration zugleich bedeutet.

Ohne das Programmheft zu Rate zu ziehen, wäre es in manchen Fällen schwierig gewesen, diese von jenen zu unterscheiden. Denn was zum Beispiel die Studenten Patricia Namba und Flavio Salamanka im „Nussknacker“-Pas-de-deux zeigten, sie mit tadelloser Technik und er ein Springer und Dreher vom Schlage des jungen Fernando Bujones, das hatte sehr wohl professionelles Niveau. Und auch das von Barbara Blanche und Marcos Menha wundervoll getanzte „Poem – Love Poem“ des ehemaligen Keil-Zöglings und jetzigen Hamburgers Tänzers Thiago Bordin konnte mächtig Eindruck machen.

Aber die Höhepunkte lieferten dann doch die großen Namen. Wenige Beispiele: Simona Noja und Jürgen Wagner aus Wien mit einem Duo aus Renato Zanellas „Spartakus“, die faszinierend charismatische Taciana Cascelli und Marat Ourtaev aus Essen als Jean-Christophe Maillots Romeo und Julia, sowie vor allem Sabrina Brazzo (Mailand) und Federico Bonelli (Amsterdam), die zu krachenden Klängen von Thom Willems einen Pas de deux aus William Forsythes „In the Middle...“ hinknallten, dass ihren Zuschauern die Münder offen stehen blieben. Nicht zu vergessen die fünf hinreißenden italienischen Landweiber der Danza Prospettiva aus Rom, die mit ihrem dampfenden Körpereinsatz in Vittorio Biagis „Pizzicata Tarantata“ Jubelstürme hervorriefen.

Zum Schluss noch die Uraufführung „Chaconne“ zu Musik von Mozart in welcher der Stuttgarter Hauschoreograf Christian Spuck für acht Stipendiaten eine Fülle bekannter Gags aus zahlreichen Balletten zu einer neuen, launigen Mischung Studentenfutter gemixt hatte, die dem Publikum mindestens so viel Vergnügen bereitete, wie ihren quirligen Interpreten.

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